Guten Tag!

Aussagen...
...entworfen.

Veröffentlichungen...
...optimiert.

Kultur...
...Inspiration.


Die Welt im Endzustand
Der surrealistische Künstler Dado

Einen Anschein restlichen Lebens haben die verstümmelten, zerrissenen, teils skelettierten und mumifizierten Figuren der Bilder des in Frankreich lebenden Künstlers Dado. Oft stehen sie aufrecht, wirken wie in trotziger Bewegung als Überlebende eines ziellosen Massakers, einer ungeheuren Zerstörung des Geschaffenen und Gewachsenen, oder eines unaufhaltsamen, allumfassenden Verfalls. Andere sind kopfüber aufgehängte Puppen, blutrot bespritzt, Alpträume, die in Schaukästen gebannt sind, mit Knochen, Federn, Maschendraht und auch, wie selbstverständlich, Schmetterlingen. "Endzustand" nennt das Dado, den Jean-Louis Martinoty für seine Inszenierung von Georg Friedrich Händels Musikdrama "Tamerlano" am Badischen Staatstheater Karlsruhe dazu angeregt hat, mit solcherart monströsen Kästen das Bühnenbild zu gestalten.

Dem Künstler, der nach seiner Aussage wegen der üblichen Dekors sonst nicht viel fürs Theater übrig hat, war vorgeschlagen worden, die Kästen mit den Reliquien schlicht zu vergrößern, doch hat er für diese Oper etwas Eigenes erarbeitet. Denn er war schon seit langem fasziniert vom Werk des Barockkomponisten Händel - und davon, dass einer noch weit über seinen Tod hinaus eine gewaltige Wirkung ausüben kann. Händels Oratorium "Jephtha" hatte ihn bereits ebenso zu bildnerischem Schaffen veranlasst, wie Johann Sebastian Bachs "Johannes-Passion" zur Interpretation auf Blättern eines Anatomie-Lehrbuchs führte.

Händel, sagt er, habe ähnlich Shakespeare das Menschsein in seinen elementaren Formen erkannt. Und Dado hat eine Menschheit vor Augen, die vor allem schlecht und grausam ist, "Tote Seelen" ohne Ruhe, Scharen von Gespenstern, die noch entfernt an Menschen erinnern. Es werde immer schlimmer in der Welt, und das zeige sich in seinen Arbeiten. Dass seine künstlerische Tätigkeit Arbeit ist, die ihn erschöpft, ist dem Mann mit dem dennoch freundlichen Blick zu glauben.

"Tamerlans gibt es immer noch": damit verdeutlicht Dado, warum ihn gerade die Person dieses durch seine Brutalität berüchtigten mittelalterlichen Mongolenherrschers herausforderte. Ein schlagendes Beispiel ist für ihn der US-General, der den Golfkrieg organisierte und schließlich wie vor ihm Tamerlan Bagdad verwüstete - das alte Zentrum einer Hochkultur, der Dado seinen Respekt erweist. Als das geschah, habe er sich zum ersten Mal auf eine so leidige Angelegenheit wie die Politik eingelassen.

Von dem, was im ehemaligen Jugoslawien geschehen ist, wollte der Künstler dagegen nicht sprechen, der 1933 in Montenegro geboren wurde und eigentlich Miodrag Djuric heißt, aber den Namen trägt, mit dem ihn seine frühverstorbene Mutter rief. Die furchtbaren Ereignisse dort hätten ihn zuinnerst betroffen wie die Geschichte seiner Kindheit und seiner Familie. Dado hat seine Heimat schon in den fünfziger Jahren verlassen. 1968 gab er einem Bild den Titel "Bürgerkrieg in Montenegro"; eine 1991 in seinem "Anti-Museum" in der Geburtsstadt Cetinje veranstaltete Ausstellung galt dem "Glück im Verbrechen", nach der von ihm illustrierten Novelle von Barbey d'Aurevilly.

Nach Frankreich ging er, um am Leben der weltoffenen europäischen Kulturmetropole Paris teilzunehmen. Jean Dubuffet entdeckte und förderte ihn. Sein "Pate" wurde ein anderer Zugewanderter, der Ende der Dreißiger aus Deutschland gekommene Hans Bellmer, in dessen Tradition die Puppen stehen. Zum internationalen Surrealismus, der sich in der französischen Hauptstadt entwickeln konnte, bekennt Dado sich mit Nachdruck; er betrachtet ihn als eine Strömung, die mindestens seit den Tempeln der Hindus und den gotischen Kathedralen wirksam ist, als dauernde Veränderung der Welt, Werden und Vergehen.

Dado hält sich an die Natur. Er wohnt auf dem Land, holt sich Material aus ihr oder sammelt Erzeugnisse der Kultur, die als Trödel, von Außenseitern der Gesellschaft gehandelt, dabei sind, wieder in die Naturkreisläufe zurückzukehren, er betätigt sich als Archäologe einer allgemeinen Naturgeschichte und findet beim Aufbau der Schaukästen, dass durch elektrisches Licht alles "platt" wird. Das Chaos in seinen Bildern ist im real Vorhandenen begründet und doch vom wahrnehmenden Künstler durchleuchtet. Als sein Atelier abgebrannt war, stellte Dado die Überreste neu zusammen, bemalte sie, füllte die Kästen damit. Endzustand? "Die Mehrdeutigkeit ist ohne Ende", hat er einmal geäußert, "weil wir nichts verstehen."

© Matthias Kunstmann

(...zurück)



Portrait

Texte

maximil-blog

Netzwerk

Kontakt

Impressum



maximil . Agentur für Kommunikation . Matthias Kunstmann . Karlsruhe . Deutschland
.