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Eine
Theater-Werkstatt oder wie sie hätte sein
können Was tun Leute, die Theater machen wollen, aber nicht ein Stück einstudieren? Theater machen heißt Aufsehen erregen und ist weniger harmlos als Theater spielen; da springt unter Umständen etwas ins Auge. Das Theater ist der "Schauplatz" von Machenschaften, Schwächen, Exzessen, Krieg, Frieden, Liebe und Tod - das alles ist vor dem Ende eines Lebens weder aus- noch einstudiert und geht doch über die Bühne. Die besagten Theater-Laien, die in diesem Fall aus dem Jugendzentrum der Region kommen und eine Theater-Werkstatt auf dem Land veranstalten, verzichten also auf ein kunstvoll der Welt entrücktes Stück und halten sich an Bruchstücke und Splitter von ihr, mit schillernden Kanten, an denen die Adern des Lebens sichtbar sind: Alltagsszenen, die auf einmal überhaupt nicht mehr banal sind. Slapstick: Laurel und der Versuch, Hardy einen Fleck von der Weste zu bürsten. Das Werkzeug ist nicht das richtige. Hardy verzieht keine Miene, mit gelindem Erstaunen, den Blick in nebulöse Ferne gerichtet, beginnt er den Vorgang nach geläufigen Mustern einzuordnen; während Laurel mit verzweifelter Gelassenheit seine Arbeit verrichtet und die zwischenmenschliche Angelegenheit beim besten Willen nicht ins Reine bringt. Sein Beharren und die verzögerte Reaktion geben ein unverstellt offenes Bild, so daß nur Lachen hilft, um die Drohung zu bannen. Darum geht es beim Theater immer, etwas, das oft unbekannt und unsäglich ist, in den Griff zu bekommen. Dargestellte Beispiele: Welcher Aufwand an komplizierter Bewegung, eine Tasse Tee zu kochen. Einem störenden Insekt gelten gelegentlich mehr Emotionen als einer misslichen Zeitungsmeldung. Das Schließen und Öffnen einer Jalousie steht für die unaufhörlichen Bemühungen, klare Sicht zu erzielen oder sie sich zu verweigern. Normal ist das Dämmern, manchmal die Ahnung von etwas, meistens die Bewusstlosigkeit. Theater, gerade Alltags-Theater, solange nicht erstarrte Rollen-Masken getragen werden oder sobald diese durchschaut sind, ist nicht normal: Es verursacht bewußtes Erleben von etwas, allmählich oder blitzartig, Wahrnehmung, die den Intellekt erübrigt. Aber der Intuition folgt die Kritik nach. Einer der Ursprünge des Theaters ist die karikierende Nachahmung, gerade von Mächtigeren, straflos, obwohl selten zu deren Vorteil. Für die Akteure bedeutet Theater wahrgenommenes Leben und beginnt mit Übungen zur Selbsterfahrung, ursprünglich mit dem spontanen Tanz. Da kann es passieren, dass die Beteiligten an einem Workshop gar nicht mehr wollen als genau das: die Beschäftigung mit sich selbst, das Stück "Ich" auf einer allseits verspiegelten Bühne aufführen (die ihre Schau berechnend auf einem Balkon über der Menge spielen, lernen ihre Posen woanders) - no show tonight, "ich seh überhaupt nicht ein, dass ihr hier rumsitzt und wir sollen für euch die Action machen". Das ist ein Appell und vor allem eine Distanzierung, vielleicht aber auch aus der Distanz heraus die Vorbereitung eines weniger zufällig bruchstückhaft wahrgenommenen Lebens in allerdings spannungsträchtigen sozialen und natürlichen Zusammenhängen. Darin geschieht Theater, wenn es erkannt wird: Jemand lehnt eigentlich absichtslos mit dem Walkman am Zaun, während die anderen auf den Treppenstufen sitzen, bewegt sich im Rhythmus und skandiert plötzlich den Refrain: ". .. nicht schön, aber geil und laut." Laut ist Theater fast immer, ausgenommen die Pantomime oder TV mit abgedrehtem Ton. Entscheidendes läuft indessen ab, das nicht in geeignete Wörter und Sätze zu fassen ist. Leicht möglich, dass für andere anderes in der Theater- Werkstatt stattgefunden hat, als hier im Text steht. Das Schreiben ist eine Folge des Theaters, und eines Tages folgt darauf - leicht möglich - neues Theater. © Matthias Kunstmann
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