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Tanz zwischen Vielen

21. November 2012

Jemand spricht aus einem Kasten, einem kleinen, einer Schatulle. Die Stimme ist im Raum, erreicht mich, ich höre ihre Botschaft. Ich weiss, dass die freundliche Sprecherin weit weg ist, vielleicht hat sie dies schon vor Langem gesprochen, sagt jetzt etwas anderes, das ich nicht höre, oder schweigt. Ein Kind kann annehmen, dass sie in dem Kästchen sitzt. Früher hätte das als Magie gegolten, aber wir sind das Radio gewohnt.

Botschaften sagen uns, dass wir uns anders verhalten könnten und damit einem Ziel näher kämen. Dies unterstützen Ratgeber in verschiedenen Medien, Organisationen wie die Gewerkschaften, die auch gelegentlich einen Streik veranstalten, Religionsgemeinschaften … Es genügt nicht, informiert zu sein, Erkenntnisse sollen wirken, und das soll sich sogar öffentlich zeigen, um weitere Bewegungen anzuregen.

Auf einem Stadtplatz mit vielen Geschäften und Cafés bleiben da und dort einzelne Leute gleichzeitig stehen und bewegen sich nicht mehr. Nach einer Weile setzen sie Einkaufstüten auf den Boden und gehen weiter. Sie begrüssen irgendwelche anderen Passantinnen und Passanten mit “Hallo!”, reichen die Hand zum Gruss, “Freut mich, Sie zu sehen!” Dann richten sie den Blick über die Dächer zum Himmel. Die gebrauchten Tüten können schriftliche Erklärungen enthalten, zum Beispiel von Möglichkeiten des bewussten Konsums oder Vorschlägen, gemeinsam Interessen zu vertreten.

Was da verwundert, ist ein Radioballett. Das tanzt nicht in einer Sendung wie das Fernsehballett der öffentlich inszenierten privaten Samstagabendunterhaltung. Beim Radioballett, das von der Hamburger Künstlergruppe Ligna eingeführt wurde, machen die Hörerinnen und Hörer mit. Sie haben Taschenradios und Ohrhörer dabei. Gerade strahlt ein lokales freies Radio die Aktionshinweise aus. So handeln die Beteiligten ganz freiwillig an verschiedenen Orten zugleich, sie weichen eigenverantwortlich vom Gewohnten ab, machen auf ein Anliegen aufmerksam und sind in der Entfernung miteinander verbunden. Einige von ihnen haben den Sendetext verfasst, denn dieses Radio ist nicht nur telefonisch zugänglich und wird vom Publikum als Medium verwendet.

Ein Ziel ist, Zwänge des Üblichen probeweise ausser Kraft zu setzen. Stimmen können suggestiv wirksam sein. Wenn ich mir etwas vorsagen lasse, wird mir nichts vorgeschrieben, und doch kann ich den Worten nicht ausweichen. Ein geschriebener Text lässt mir meine Zeit, ihn zu lesen und mir sehr Unterschiedliches dabei vorzustellen. Die Stimme ist persönlicher und gestaltet die Szenerie. Zum Verständnis fordert sie nicht die Konzentration wie ein Bild. Das Radio ist ein Risiko. Beim Hören der Stimmen soll immer wieder klar werden, dass dies ein Ausnahmezustand ist - es ist kein Gespräch, sondern ein Versuch, mit dem wir etwas erreichen können.

> Freie Radios

maximil

[Dazu:
Irritierend ...]

Themen: Allgemein · Kultur · Politik

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