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Surreales entdecken

17. Dezember 2009

“Glaube nicht, was sie dir sagen. Ich habe gelernt, selbst zu sehen, zu hören, zu fühlen. Da geschehen Wunder.” Diese Erkenntnis eines Weisen ist anwendbar auf Zeitungen, Fernsehen, Politik, Werbung, Gerüchte und auf Bücher, Bilder, Filme. Die Kunst ist auch ein Teil der Wirtschaft, hat einen Markt, wird gern ohne Fragen und Kritik konsumiert.

Dagegen hat Bertolt Brecht Widerstand aufgebaut, er wollte keinen kulinarischen Kunstgenuss, nicht Unterhaltung, sondern Anregung zu eigenem Denken, Provokation, die Veränderung ermöglicht. Wenn ein Gemälde, ein Roman, eine Theateraufführung einen Skandal auslöste, dann waren persönliche Stellungnahmen gefragt und Diskussionen über das, was daraus folgen konnte. Solche Furore ist aber nicht dazu nötig, dass ein Werk wirkt - wenn es gemäss Definition von Kunst originell, ungewöhnlich ist, kann jemand in der Begegnung mit ihm durch Gedanken und Gefühle etwas erfahren und sich bilden.

Bei Texten und Bildern, die eine eindeutige Botschaft zu übermitteln scheinen, kann Misstrauen angebracht sein, bei sachlichen Nachrichten und auch bei Kunst. Es kommt darauf an, wahrzunehmen: Was bedeutet es für mich? Was hat es mit mir zu tun? Wie wirkt es auf mich? Wie stehe ich dazu? Was kann ich damit anfangen? Was will ich antworten?

Auf der Suche nach Wahrheiten hinter den Aussagen und Dingen ist die Bewegung des Surrealismus weit gegangen. In ihr ist es möglich, die gegebene Wirklichkeit anders als üblich wahrzunehmen, Unbekanntes zu entdecken und aus dem Gefundenen immer wieder etwas Eigenes zu machen. Sie hat eine Revolution proklamiert. Sie will Freiheit gewinnen. Sie stösst auf Wunder. Surrealistische Kunst findet mitten im Leben statt.

Der Surrealismus offenbart und zeigt, er deutet Zeichen, Symbole und Mythen, er experimentiert und handelt, und dabei richtet er sich an die Sinne wie an den Verstand, an den ganzen Menschen, dem er nahe legt, selbst aktiv zu werden und die Wirklichkeit zu verändern: gegen Systeme, Ideologien, Vorurteile, Hierarchien, Privilegien, Kommerz, Leistungsprinzip - für Eigenart, Bewusstsein, Radikalität, Inspiration, Utopie, Miteinander, Liebe.

Die Literatur der Romantik hat den Surrealismus motiviert, Franz Kafka ist einer der bedeutendsten Surrealisten avant la lettre, der Dadaismus hat das Seine beigetragen. Die Bewegung hat sich seit etwa 1920 in Wort, Bild, Aktion weltweit verbreitet. Am Aufbruch von 1968 war sie vielfältig beteiligt. Neben häufig als surrealistisch genannten Persönlichkeiten wirkten andere mit, die meist nicht so bezeichnet werden, wie Joseph Beuys. Inzwischen hat sich Surrealistisches, die Aufmerksamkeit für surreale Situationen in verschiedene Richtungen weiter bewegt. Die Präsenz und das Potenzial dieser Bewegung ebenso wie unserer Welt sind es wert, dass wir sie wahrnehmen. Die Möglichkeiten sind da und können wirklich werden. Das ist umso wichtiger, je mehr die Welt ökonomisch, technisch, administrativ durchrationalisiert wird. Die unvermeidlichen Fehler dabei sind vielleicht Glücksfälle.

maximil

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Auf dieser Route
Wenn die Medien ausfallen]

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