“Heute morgen war es ruhig, ich hatte frei und war allein, da bin ich ins Nachdenken gekommen, ich wollte etwas für mich klären: Wie lebe ich richtig? Mir ist es nicht gleich, wie ich lebe. Andere erwarten Verschiedenes von mir, meine Mitmenschen, die Gesellschaft, der Staat. Aber ich will selbst über mein Leben bestimmen. Richtig leben, was ist das? Was meint ihr?”
“Richtig leben, das ist für mich: voll da sein, es gut haben, geniessen …”
“Ja, ohne Probleme, niemand macht mir Stress …”
“Wenn ich gar nicht mehr nachdenken muss, alles läuft von selbst.”
“So weit bin ich noch nicht, ich muss das doch irgendwie anfangen. Wissen, was ich will. Und mich dann entsprechend verhalten.”
“Das sehe ich auch so. Die Frage ist, wie ich da entscheide. Möglich ist ja viel. Manches ist nicht möglich, oder ich bekomme Ärger. Soll ich es ausprobieren?”
“Sei so frei! Dabei gibt es Regeln, die Jahrtausende alt sind, vielleicht sind sie naturgegeben, und die werden uns von Kind auf nahegebracht. Regeln, wie wir uns verhalten sollen, Ethik. Damit keine unnötigen Konflikte entstehen.”
“Dabei wird gerade über diese ethischen Regeln immer wieder gestritten …”
“Das hat sich auch im Lauf der Zeit geändert, was für falsch oder richtig gehalten wird.”
(Beispiel: Superbia)
“Nehmen wir als Beispiel einen Fehler, der einstmals einer der schlimmsten war, sodass die menschliche Gemeinschaft überlegen musste, wie die Betroffenen gebessert werden konnten. Es ist die Selbstüberschätzung, mit anderen Worten Arroganz, Überheblichkeit, Anmassung, Hochmut, Grössenwahn, Eitelkeit, Egoismus. Klassisch wurde vom Laster der ‘Superbia’ gesprochen. Mit einer solchen Einstellung setzt sich ein Mensch über andere, er hält sich für besser, als er ist, und für wichtiger als die anderen, lässt ausser Acht, dass allen die gleiche Würde und die gleichen Rechte zustehen. Damit haben wir es heute wie früher zu tun, im Persönlichen und in der Politik. Aber wie es aussieht, gilt dieser Fehler oft als normal. Angeblich muss sich jeder und jede im Wettbewerb behaupten. Und es wird geglaubt, mit Wissenschaft und Technologie bekämen wir alles in den Griff.”
“Wenn die Selbstkritik fehlt, wird es nervend und auch gefährlich.”
“Wir sollten die Beziehungen zwischen den Menschen pflegen.”
(Beispiel: Luxuria)
“Ein anderer Fehler, der uns besonders zu schaffen macht, ist die Grenzverletzung, Masslosigkeit, Übergriffigkeit, exzessiver Luxus, Verschwendung, Destruktivität, früher ‘Luxuria’ genannt. Das scheint zu unserer Kultur zu gehören und immer heftiger zu werden. Es ist eine mögliche Folge der Freiheit, die wir beanspruchen, zunehmenden Wissens und der entwickelten Fähigkeiten. Viele Menschen sind orientierungslos, lassen sich von Trieben oder irgendwelchen Vorgaben und Moden leiten. Für sie ist es beliebig, womit sie sich beschäftigen. Sie verzichten auf Bewusstsein. Und so sammeln Geheimdienste persönliche Daten, verkaufen Unternehmen Produkte ungeachtet der Risiken, werden Gene manipuliert und die menschliche Fortpflanzung programmiert, die Natur wird aus dem Gleichgewicht gebracht.”
“Da braucht es Bildung, damit Werte entdeckt werden und eigene Entscheidungen möglich sind.”
“Und es braucht die Ehrfurcht vor dem Leben, von der Albert Schweitzer gesprochen hat.”
(Beispiel: Gula)
“Noch ein schwerer Fehler: die Gier, das Habenwollen, Sucht, Ausbeutung, Wohlstandskult und der Glaube an unendliches Wachstum - einst war dergleichen bekannt als ‘Gula’. Wahrscheinlich ist das ein Fehler, weil etwas fehlt. Menschen empfinden eine innere Leere und wollen sie füllen. Statt Lust zu spüren zu etwas Sinnvollem.”
“Das würde Überernährung erklären, Konsumieren um jeden Preis, das dauernde Bedürfnis nach Unterhaltung, Medienreizen, immer Neuem.”
“Wohlstand bringt noch lange nicht Wohlbefinden.”
(Beispiel: Temperantia)
“Mängel werden also gelegentlich zu Vorteilen uminterpretiert. Damit täuschen sich die Betroffenen. Es ist auch im Interesse derjenigen, die von den Bedürfnissen anderer profitieren.”
“Das macht es nicht leichter, das Richtige zu finden.”
“Schauen wir mal. Eines, was ich sehe, kann in vielen Fällen helfen: Mässigung, oder anders gesagt Besinnung, Zurückhaltung, Bescheidenheit, Rücksicht, Achtsamkeit, das, was früher als ‘Temperantia’ bezeichnet wurde und eine der sogenannten Tugenden war. In unserer Zeit wird das nicht so sehr geschätzt. Aber ich habe gemerkt, dass es guttut.”
“Das heisst wohl, zu erkennen, was ich wirklich brauche und wie ich es am besten erreiche.”
“Vor allem wäre zu klären, wofür ich leben will.”
“Bescheidenheit muss ja nicht heissen, dass wir nicht unseren Träumen folgen und Bedeutendes verwirklichen.”
(Beispiel: Iustitia)
“Wichtig als Einstellung und Verhalten ist gleichermassen die Gerechtigkeit oder ‘Iustitia’. Alle sollen zu ihrem Recht kommen, sich entfalten können. Das ist eine persönliche und politische Aufgabe.”
“Dazu müssen wir kommunizieren. Sodass es einen Austausch ergibt, und Gemeinsamkeit.”
“Ich finde, dazu gehören Verständnis, Mitgefühl, Empathie.”
“Ich versuche wahrzunehmen, was du wahrnimmst.”
“Verantwortlich sein - ich will das, was ich tue, vertreten können, mit Gründen, die für andere nachvollziehbar sind.”
(Beispiel: Caritas)
“Uns kommt es auf Werte an. Vor allem ist da die Liebe zu sehen, als ‘Caritas’ bezeichnet, Zuwendung, Geben, Schenken, Helfen, Pflegen, Heilen - es gibt so viele Möglichkeiten: Freigebigkeit, Grosszügigkeit, Einsatz, Engagement, Zivilcourage, Friedfertigkeit, Menschlichkeit …”
“Alles das ist freiwillig. Zeitweise handle ich von selbst so, dann bin ich wieder sehr mit meinen eigenen Angelegenheiten befasst. Ich habe aber festgestellt: Wenn ich aufmerksam für andere bin, werde ich lockerer und offener, und es wirkt meistens bereichernd auf mich.”
“Leistung, fällt mir ein, ist auch ein Vorteil. Aber sie schädigt, wenn sie verlangt wird, um die Konkurrenz zwischen Menschen zu verschärfen und die Sozialleistungen zu verringern. Anders ist es, frei etwas für Mitmenschen oder die Gemeinschaft zu leisten.”
“Jetzt ist mir klarer, was richtig sein kann.”
(Etwas anders leben)
“Wie ich Konsequenzen ziehe, ist noch nicht so deutlich. Da sind Gewohnheiten, die sind oft hinderlich. Manche sind auch hilfreich.”
“Erkenntnis ist ein Anfang. Eigenschaften meines Charakters beobachten, die ich ablehne, und solche, die ich befürworte, Schwächen und Stärken. Wenn wir anders leben wollen, sollten wir es einüben. Dann wird sich etwas ereignen.”
“Wir können uns dabei bewusst sein, dass es um Glück geht.”
“Ich kann zumindest immer mal wieder zufrieden sein.”
“Weil es stimmt.”
maximil
[Dazu:
Was tun für gutes Leben?]
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