Wird in Deutschland genug getan, um Plagiate bei wissenschaftlichen Arbeiten zu verhindern? Die meisten Hochschulen in Österreich kontrollieren grundsätzlich die Abschlussarbeiten ihrer Studierenden mit automatischen Plagiat-Erkennungsprogrammen. Diese können zwar nicht sicher feststellen, ob jemand getrickst hat oder nicht, aber sie können Hinweise für weitere Nachprüfungen geben - und vor allem abschreckend wirken. An deutschen Hochschulen werden solche Tests erst von einzelnen Instituten vorgenommen.
Ein Beispiel aus Österreich: Die Alpen-Adria-Universität Klagenfurt überprüft seit 2008 alle wissenschaftlichen Abschlussarbeiten automatisch auf Internet-Plagiate. Die Studierenden müssen dazu ihre Arbeit als Datei auf einen Server der Universität hochladen. Das elektronische Programm gibt einen Prüfbericht aus, auf dessen Grundlage der Betreuer oder die Betreuerin weiter untersucht, ob die Arbeit plagiatfrei ist und bewertet werden kann. Ähnlich behandelt die Universität Wien die eingereichten Diplom- und Masterarbeiten sowie Dissertationen. Dort schauen sich die Studienprogrammleitungen zusammen mit der betreuenden oder einer anderen fachkundigen Person die automatisch markierten Stellen genauer an. Wenn die Arbeit nur Mängel in der Zitierweise hat, bekommt der Verfasser oder die Verfasserin Gelegenheit, den Text zu korrigieren. Wenn das Ausmass unzitierter Textpassagen aber kein Verbessern mehr zulässt, es sich also tatsächlich um ein Plagiat handelt, dann wird die Arbeit nicht angenommen. Nach dem österreichischen Gesetz folgt keine weitere Sanktion - die ertappten Studierenden dürfen es mit einem anderen Thema noch einmal versuchen.
Die Universität Wien hat erklärt, dass sie in den letzten sechs Jahren sieben akademische Grade wegen Plagiats aberkannt habe, mit fallender Tendenz. Dazu sagt der Salzburger Plagiatsbekämpfer Stefan Weber, vier dieser Aberkennungen gingen auf seine Recherchen und Anzeigen zurück. Er zweifelt an der Effizienz der Software. In Internetforen zeigen Studierende Interesse, ihre Masterarbeit vor der Abgabe auf Plagiatsfreiheit testen zu lassen - das deutet darauf hin, dass manche inzwischen mehr Ehrgeiz darauf verwenden, geklautes oder nachlässig zitiertes Gedankengut durch die elektronische Prüfung zu schleusen, als mit eigenen Gedanken und korrekter Arbeit zu bestehen. Das Programm ist also offenbar ein Mittel zur Abwehr unlauterer Machenschaften, das die betreuenden Lehrpersonen mit ihrer Aufmerksamkeit ergänzen müssen.
An deutschen Hochschulen wurden zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis Ombudsleute und Kommissionen bestellt, die Verdachtsfällen nachgehen und Sanktionen bis hin zur Geldbusse in die Wege leiten, ohne dass es eine systematische Kontrolle gäbe. Ausnahmen sind beispielsweise das Institut für Europäische Kunstgeschichte und das Institut für Ethnologie der Universität Heidelberg, die jede Arbeit ihrer Studierenden mit einer entsprechenden Software auf Plagiate untersuchen. Der Dekan der Heidelberger Philosophischen Fakultät (zu der die Kunstgeschichte gehört), Manfred Berg, rechnet damit, dass das Thema Plagiatskontrolle im kommenden Semester auf der Tagesordnung stehen wird. Er ist aber nicht für eine generelle elektronische Überprüfung, will die Studierenden nicht unter Generalverdacht stellen und plädiert für Vertrauen in der Gemeinschaft der Lehrenden und Lernenden. Das Wichtigste dabei sei eine intensive Betreuung der Studienarbeiten. Auch Psychologieprofessor Joachim Funke, einer der Ombudsleute der Universität Heidelberg, sieht keinen Grund, an der bisherigen Praxis etwas zu ändern; es sei eine “Illusion, man könne das technisch lösen”. Die Fakultät für Betriebswirtschaftslehre der Universität im benachbarten Mannheim hat ebenfalls ein Antiplagiatsprogramm besorgt, den Lehrstühlen aber freigestellt, damit alle wissenschaftlichen Arbeiten zu untersuchen, Stichproben zu nehmen oder es nur bei Verdacht anzuwenden.
Dem Deutschen Hochschulverband (DHV) ist das nicht genug. Anlässlich des 61. DHV-Tags (11./12.4.2011 in Potsdam) hat er alle Wissenschaftler und die Prüfungsämter der Universitäten aufgefordert, die eigenständige wissenschaftliche Leistung von Seminar- und Abschlussarbeiten zu überprüfen. Studierende, Doktoranden und Habilitanden sollen dazu verpflichtet werden, ihre Arbeiten auch in digitaler Form abzugeben, sodass besser und schneller auf Übereinstimmungen mit fremden Texten kontrolliert werden kann. Die Prüfenden sollen von den vorhandenen Kontrollinstrumenten Gebrauch machen, verlangt der DHV.
Die elektronischen Programme können den Zeitaufwand verringern, der für die Qualitätssicherung von Studienarbeiten gefordert wäre, aber nach den Worten von Hochschulverbandspräsident Bernhard Kempen nur schwer zu erbringen ist: Wissenschaftler an Deutschlands Universitäten seien durch das modularisierte Bachelor- und Masterstudium sowie im internationalen Vergleich hohe Lehrdeputate selbst “zu Lehr- und Prüfungsautomaten degradiert”.
maximil
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Dieser wäre der erste.
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