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Das Lebensmittel Wasser in eigenen Händen

6. Mai 2011

Frisches Wasser aus dem Hahn ist nicht selbstverständlich. Vor 50 Jahren konnten moderne mitteleuropäische Hotels noch damit werben, dass sie Zimmer “mit fliessend kaltem und warmem Wasser” hatten. Auf dem Land gehörten zu den Häusern eigene Brunnen, aus denen das Wasser mit Schwengelpumpen von Hand in Eimer gefördert wurde. In neueren Häusern gab es Leitungen vom Brunnen auf dem Grundstück  in die Küchen und Bäder, dafür war eine elektrische Pumpe nötig, die manchmal ausfiel - dann mussten die Familien bei den Nachbarn Wasser holen.  Schliesslich rumpelten Bagger ins Dorf, die noch ungeteerten Strassen und Wege, auf denen die Kinder gespielt hatten, wurden aufgerissen, und Arbeiter verlegten Rohre und Anschlüsse für die zentrale Wasserversorgung. Aber in harten Wintern kam es immer noch vor, dass die Wasserleitungen im Haus einfroren …

Millionen Menschen in ärmeren Ländern schöpfen ihr Trinkwasser indessen weiter aus Flüssen und schlammigen Tümpeln. Oft enthält es Krankheitserreger oder schädliche Chemikalien. In Gebieten mit Leitungsnetzen wird dem Wasser auch in Europa vielerorts Chlor zugegeben, um Bakterien abzutöten. Spuren verschiedener Medikamente aus Abwässern und Nitrate aus der Landwirtschaft lassen sich in den Wasserwerken nur schwer herausfiltern. Es passiert in Hitzeperioden, dass den Haushalten das Wasser für Stunden abgedreht ist. Trotz Regen erreicht höher gelegene Wohnungen manchmal gar kein Wasser mehr, denn der Druck in den Rohren ist zu niedrig - als Folge von Lecks und anderen Mängeln einer vernachlässigten Infrastruktur, für die finanzschwache Städte oder profitgierige private Wassergesellschaften, denen sie ihre Versorgung überlassen haben, verantwortlich sind.

Wasser, das elementare Lebensmittel, wird im grossen, vielfachen Naturkreislauf von Verdunstung, Wolken, Niederschlag, Versickerung, Quellen, Wurzeln, Trinken, Ausscheiden, Flüssen, Meeren immer wieder gereinigt und verteilt. Wie die Luft ist es erst einmal im Überfluss für alle da. Menschliche Gemeinschaften haben es sich auf verschiedene Weise verfügbar gemacht, mit Aquädukten, Zisternen, Wassertürmen, Aufbereitungsanlagen, Qualitätskontrollen. Dabei ist das Wasser auch zur Ware geworden: Je höher der technische und organisatorische Aufwand für das Bereitstellen, desto mehr reizen Geschäfte damit. Konzerne haben weltweit von öffentlichen Unternehmen das Gewinnen und Vermarkten des Wassers übernommen. Wo es kein Leitungswasser gibt oder die Leute ihm nicht trauen, wird Wasser in Flaschen angeboten und konsumiert, teuer, zum Teil von zweifelhafter Qualität und umweltschädlich durch Lastwagentransport und zurückbleibenden Plastikmüll.

Brunnen

Trinkwasserbrunnen am Denkmal für die erste liberale Verfassung von Baden in Karlsruhe, von Friedrich Weinbrenner 1826

Aber Gemeinschaften achten auch wieder auf ihre Ressource Wasser. Die Stadt München fördert die ökologische Landwirtschaft in den Gebieten, aus deren Böden sie ihr Wasser bezieht, damit möglichst keine schädlichen Stoffe eindringen. Paris hat seine Wasserversorgung von zwei Konzernen übernommen und zeigt Stolz auf die kulturelle Leistung, den Menschen einer Metropole zuverlässig und kostengünstig sauberes Wasser zu liefern. Eigens gestaltete Karaffen für Haushalte und Gastronomie verdeutlichen den Wert des stets verfügbaren Wassers aus der Leitung. Zudem wird wieder aufmerksam gemacht auf die Hunderte öffentlicher Brunnen in der Stadt, von denen viele seit dem 19. Jahrhundert in typischer Form Trinkwasser spenden. Der freie Zugang zum frischen Nass freut auch Obdachlose.

Während Berlin immerhin 16 öffentliche Trinkwasserbrunnen anbietet, sind es im südlicher gelegenen Karlsruhe 74, und Stuttgart wirbt mit 19 frei zugänglichen Brunnen, aus denen Mineralwasser fliesst. Die Stadt nimmt die vor einigen Jahren an den EnBW-Konzern abgegebene Wasserversorgung inzwischen wieder in die eigenen Hände. Im französischen Wallfahrtsort Lourdes rinnt aus Hähnen sogar Heilwasser … Besonderen Überfluss an freiem Trinkwasser gewährt Bewohnenden und Reisenden die Schweiz. Eine Stadt mit rund 37.000 Menschen wie Chur lässt es aus 126 Brunnen sprudeln.

> “Water Makes Money” - Film über Wirtschaft und Politik des Wassers

> Stadtwerke München - Ökologisch gewonnenes Wasser für alle

> Eau de Paris - Die neue gemeinnützige Wasserversorgung (französisch)

> Trinkwasserbrunnen in Paris (Wikipedia)

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Themen: Allgemein · Kultur · Natur · Politik

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