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Neue Nachbarschaft

24. Mai 2013

GEMEINSAME GRENZE

Nachbarn können nervig sein. Oft verstehen sie einander so wenig, dass Streit um Kleinigkeiten eskaliert und die Justiz beansprucht. Denn ihre Nähe zueinander konfrontiert sie immer wieder. Die gemeinsame Grenze trennt und verbindet. Von wegen über Grenzen hinausgehen! Das hiesse den anderen zu nahe treten.

ZURECHTGERÜCKT

Früher hat ein Nachbar auch mal im Dunkeln einen Grenzstein versetzt, um sein Gelände zu vergrössern. Dafür musste er, so erzählten die Leute, nach seinem Tod als Geist umgehen, mit dem Stein auf dem Rücken. Des Nachts erschreckte er manch einen, der draussen unterwegs war, und fragte mit dumpfer Stimme: “Wo soll ich ihn hintun?” Erst wenn einer auf die richtige Antwort kam, nämlich: “Dahin, wo du ihn hergenommen hast!”, war der Nachbarschaftsstörer erlöst.

AUSTAUSCH

Wenn Nachbarn oder Nachbarinnen miteinander auskommen, kann es ihnen viel bringen: Austausch von Wichtigem, das den Wohnort betrifft, und gegenseitige Hilfe, gleich ob ein Haushalt für spontane Gäste zum Kaffee Milch und Zucker braucht, ob eine Familie die Nachbarskinder hütet oder gemeinsam ein Freisitz gebaut wird. Mit Hausfesten, Strassenfesten gestalten sie begeisternde und erinnernswerte gemeinschaftliche Ereignisse. Nachbarschaft im weiteren Kreis des Stadtteils oder der Siedlung lebt in Kindertagesstätten, Jugendzentren, Lokalen, der den Interessen entsprechenden Vielfalt der Vereine.

MOBIL ALLEIN

Aber an vielen anderen Orten geht nichts zusammen. In urbanen Räumen leben Menschen Wand an Wand nebeneinander her. Nachbarn auf derselben Etage grüssen sich gerade noch und lernen einander nicht kennen. Manche verspüren kein Bedürfnis, Kontakt aufzunehmen, manche finden keine passende Gelegenheit. Das ist immer häufiger so. Die Mobilität, die angesagt und gefordert ist, führt dazu, dass Berufstätige fern von zu Hause arbeiten, lang unterwegs sind, auch Wochen auswärts bleiben. Die Wohnung ist für sie nur ein Stützpunkt, und bei einer neuen Tätigkeit oder einer neuen Beziehung wird sie schnell gewechselt, wie auch der Wohnort. So können kaum noch nachbarschaftliche Beziehungen zustande kommen - während Menschen immer üblicher allein wohnen. Um nicht unter Einsamkeit zu leiden, wird Nähe mittels Telekommunikation, auf Internetplattformen oder im Fernsehen gesucht. Dort ist die “Lindenstrasse” die emotional wärmende Utopie einer Nachbarschaft.

RÜCKZUG

Auf dem Land, wo sich Familien längerfristig niederlassen, sind Strukturen für Treffen und Gemeinschaft verschwunden. Zur Rationalisierung wurden politische und religiöse Gemeinden aufgelöst, Lokale, Läden und Betriebe konnten sich nicht halten. Dörfer sind das Einzugsgebiet der Städte oder so abgelegen, dass viele junge Leute mangels Betätigungsaussichten wegziehen.

SELBST GESTALTETE BEZIEHUNGEN

Wer zu wem gehört, ist nur noch zeitweise vorgegeben. Wir können wählen und entscheiden, mit wem wir zu tun haben. Da es den Wunsch nach Gemeinschaft gibt, muss sie erst geschaffen werden. Mit Ideen, Initiativen, Kommunikation stiften Menschen in Städten und ländlichen Regionen neue Nachbarschaft. Mehrgenerationenhäuser, in denen Alte mit Jungen selbstbestimmt zusammenleben, sind ein Beispiel, ebenso andere gemeinsam gestaltete Wohnprojekte. Bürgerbeteiligung bringt Leute zusammen, die sich für ihren Stadtteil oder ihre Gemeinde verantwortlich fühlen. Ein Haus, das zum Abriss vorgesehen war, ist vorher noch zum Forschungsraum für die Zukunft einer Stadt geworden, deren Bewohnerinnen und Bewohner darin und drumherum mit Gästen gelernt, diskutiert, ausprobiert, geplant und vielfältige belebende Beziehungen hergestellt haben. Andernorts ist ein Tag der offenen Hinterhöfe, an dem die Ansässigen einander einladen und das vorstellen, was ihnen wichtig ist, der Anlass für gemeinsame neue Anfänge. In ländlichen Gemeinden öffnen wieder Dorfläden, bieten regionale Produkte an und werden mit Café, Schwarzem Brett und Dienstleistungen wie einer Poststelle zum Treffpunkt. Für die Kinder werden sogar, damit sie zum Lernen nicht weit fahren müssen, Kleinschulen am Ort erhalten.

> Netzwerk Nachbarschaft

> “Auszeit”: Nachbarschaft als Experiment (YouTube, 12:35 Min.)

> “Tag der offenen Hinterhöfe”

> Dorfladen-Netzwerk

> Projekt Neue Nachbarschaft

maximil

[Dazu:
Lasst Werte wachsen!]

Themen: Allgemein · Kultur · Politik

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