Die Zeit fliesst. Zeit vergeht. Zeit verstreicht. Zeit verrinnt. Zeit fehlt. Zeit kommt. Zeit drängt. Die Zeit scheint stillzustehen. Die Zeit heilt alle Wunden.
Und was tun wir mit der Zeit - oder (allgemeiner) mit Zeit? Zeit brauchen. Zeit haben. Zeit verbringen. Zeit verschwenden. Zeit verlieren. Zeit gewinnen. Zeit nutzen. Sich Zeit nehmen. Jemandem Zeit geben. Zeit schenken. Zeit sparen. Zeit einteilen. Der Zeit entfliehen. Die Zeit geniessen. Mit der Zeit umgehen. Zeit erleben.
Das sind Möglichkeiten. Verschiedene Begegnungen mit der Zeit ereignen sich auch in den Medien, nicht nur in Zeitungen und Zeitschriften. Das Medium Film kann in einem bestimmten Zeitablauf mit Bild und Wort freie, wunderbare, bewegende Geschichten von der Zeit vermitteln.
So ein Film ist “Die Zeit vergeht wie ein brüllender Löwe” von Philipp Hartmann. Es ist einer der essayistischen Filme, die mit ihren ungewöhnlichen Szenen, vorgeführten Experimenten, vielsagenden Dokumenten, faszinierenden Fundstücken und spannungsreichen, auf den Punkt gebrachten Kommentaren das Publikum dazu anregen, sich zu beteiligen, eigene Erlebnisse damit zu verbinden, selbst weiterzusinnen. Dieser Film macht es auf witzige Art möglicherweise leichter, der Gewalt und der Fremdheit der Zeit wie ebenso ihren Inspirationen zu begegnen.
Vorschau für “Die Zeit vergeht wie ein brüllender Löwe” von Philipp Hartmann auf Vimeo. Der Autor und Regisseur ist seit 8. Oktober 2014 mit seinem Film auf Kino-Tour.
Das haben ältere Filme auf andere Weise versucht.
Mit “Echtzeit” haben es Hellmuth Costard und Jürgen Ebert 1983 unternommen, die deutlich werdenden weltweiten Veränderungen zur digitalen Virtualität zu erfassen. Sie betrachteten Arbeitsverhältnisse, militärische Planungen, Landschaften und Menschen darin. Costard sagte zum Vorgehen (dem das von Hartmann ähnlich ist): “Ich denke, man arbeitet genauer, wenn man sich nicht auf ein Drehbuch verlassen kann oder muss oder an ein Drehbuch gebunden ist, sondern wenn man nichts anderes hat als die Logik des Augenblicks.” Der entscheidende Moment, der Augenblick, der es wert ist, die volle Gegenwart - dahin geht die Sehnsucht. Schwierige, aber erfüllte Zeit.
Aus “Echtzeit” von Hellmuth Costard und Jürgen Ebert
Clemens Steiger hat in seinem Film “Von Zeit zu Zeit” (1988) mit zeitlichen Erfahrungen und Erwartungen gespielt. Geschichten verwandeln sich. Eine Kamera nimmt eine Uhr auf, später im Studio zeigen die Bilder statt der Zeit der Aufnahme eine andere. Im Film geschehen gefilmte Fiktionen auf einmal in seiner Wirklichkeit. Sehen, was sich verwirklichen lässt …
Aus “Von Zeit zu Zeit” von Clemens Steiger
Einverstanden sein mit der Zeit - das gibt es manchmal, zeitweise, wenn sich Menschen begegnen, wenn ich mich meditativ besinne, oder an besonderen Orten, an denen die Atmosphäre einer eigenen Zeit wirkt: Plätze, Stellen, die vielleicht sonst niemand beachtet, wo aber diejenigen, die sie wahrnehmen, etwas Bleibendes auf ihren Weg mitbekommen. Wim Wenders bringt mit seinen Filmen solche Orte nahe. Sein Film “Im Lauf der Zeit” (1976) lässt an einer langen Reise durch das abseitige Deutschland teilnehmen, die heute durch die Erinnerung verläuft. “Es muss alles anders werden”, hat einer auf einen Zettel geschrieben.
Schon viel länger als der Film setzt sich die Literatur mit der Zeit auseinander - “Auf der Suche nach der verlorenen Zeit” (”À la recherche du temps perdu”) fand sich dann Marcel Proust … Die Wortsprache ist ebenfalls ein lineares Medium und Kommunikationsmittel, sie kennt Zeitraffer und Zeitdehnung, aber beim Lesen gilt ein eigenes Tempo, und es kann zurückgeblättert werden. Im Lied wird gefragt, ob die Zeit hörbar werden kann: “Hörst du es nicht, wie die Zeit vergeht” (”Heast as nit, wia die Zeit vergeht”), singt Hubert von Goisern, und Hochsensible können angeblich das Gras wachsen hören. Dagegen können statische Bilder wie magische Orte sein; die weichen Uhren in Salvador Dalís Gemälde “Die Beständigkeit der Erinnerung” (”La Persistencia de la memoria”) lassen sich auffassen als Widerstand gegen harte Zeiten.
Auf Zifferblättern (und anderen Zeitanzeigen, wenn sie kein Datum angeben) fängt die Zeit immer wieder neu an.
> “Die Zeit vergeht wie ein brüllender Löwe”, Film, Buch und Regie: Philipp Hartmann, 2013, 80 Min.
Matthias Kunstmann / maximil
[Dazu:
Rhythmusstörung
über die Zeitumstellung]
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