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Was ist das Freisein wert?

22. November 2021

Ist Freisein gut? Oder gefährlich? Wie fühlt sich das an?

Freihaben ist meistens angenehm: selbst über die freie Zeit verfügen können, ich kann entscheiden, was ich tue oder lasse, habe keinen Stress - oder doch Freizeitstress, mit der Familie, Nachbarn, mit selbst gesetzten Terminen …

Unfrei sein wollen wir jedenfalls nicht, nicht festgehalten werden, nicht gehorchen müssen, schon gar nicht gefangen sein. Aber - manchmal ist es bequem, nicht entscheiden zu müssen, nicht planen und etwas verantworten, sondern einfach mitmachen können …

Freiheit war ein grosses Versprechen: keiner Herrschaft mehr unterworfen sein, keinen Zwang erdulden müssen, keine Schikanen erleiden - die eigene Meinung sagen dürfen, über sich selbst bestimmen, für sich und andere etwas unternehmen und Ideen verwirklichen. Dafür wurden Revolutionen gemacht. Daraus sind die Menschenrechte entstanden. Diese Rechte sind allerdings bisher nur zum Teil in Kraft und sie sind nicht selbstverständlich.

Freiheit ist eine Aufgabe, also nicht so einfach. Sie erfordert eigenständiges Denken, bewussten Einsatz und eine Verständigung mit den Mitmenschen, die ebenso frei sind. Jeder und jede ist verantwortlich für Worte und Handlungen. Der Aufwand lohnt sich immer wieder für alle.

Aber inzwischen sieht es so aus, als wollten viele nicht mehr frei sein. Sie wünschen Massnahmen, Einschränkungen, eine durchgreifende Politik. So wurden Abstände zwischen Menschen vorgeschrieben, Kontakte untersagt, Versammlungen und Veranstaltungen verboten. Es kam zu Ausgangssperren, Maskenpflicht, Schliessungen von Schulen und Unternehmen. Der deutsche Bundestag hat sogar zeitweilig sein demokratisches Recht abgegeben. Bis dahin war dergleichen  nur aus Diktaturen bekannt. Dabei wird jetzt besonders die Minderheit unter Druck gesetzt, die ihre Menschenrechte bewahren will. Was geschieht hier?

Gesundheit und Leben sind bedroht. Das ist nichts Neues, infolge gewisser Ursachen hat sich jedoch das Schutzinteresse auf ein Virus fokussiert. Zu diesen Ursachen gehört: Die Krankenhäuser wurden seit Jahren teils zusammengespart, teils als Profitunternehmen organisiert. Arbeitsbedingungen in sozialen und pflegerischen Berufen sind unzumutbar geworden. Die Politik hat für eine Pandemie nicht vorgesorgt. Viele Menschen sind durch technische Schadstoffe in der Atemluft, im Trinkwasser und in Lebensmitteln anfällig für folgenschwere Infektionen. Die globalisierte Mobilität verbreitet Erreger in kürzester Zeit. Corona steht für eine Reihe von Menschen erzeugter und nicht gelöster Probleme. Dem gegenüber zeigt sich ein gesteigertes Bedürfnis der Sicherheit.

Angst macht unfrei. Richtig wäre, die Probleme vernünftig anzugehen, statt Möglichkeiten des freien Lebens zu beseitigen. Wir sind so frei, Krisen zu bewältigen!

Infrage gestellt ist die persönliche Freiheit schon genug. Der eigenen steht nicht nur die der anderen entgegen, Freiheit wird auch mehr oder weniger von den Regeln beschränkt, die zum Wohl der Gemeinschaft gelten. Gesellschaftliche Normen bedeuten, dass wir entweder uns anpassen oder grössere Nachteile riskieren, etwa beim Verhalten in der Schule und im Beruf. Das gängige Nutzen- und Effizienzdenken vereinheitlicht zwangsläufig individuelle Denkweisen und Tätigkeiten. Darüber hinaus versuchen Einzelne und Gruppen, ihre Freiheit zulasten von anderen auszudehnen. Macht aufgrund von Kapital, Position, Wissen, Medien oder nur aus Gewohnheit missachtet die Freiheit vieler. Gegen diese Übergriffe und auch gegen vermeintliche Sachzwänge lassen sich Mittel finden.

Mehr wirksame Mitbestimmungsrechte werden gebraucht. Und Gespräche gerade zwischen Menschen, die verschieden denken. Das Ziel sollte dabei nicht unbedingt sein, die anderen zu überzeugen, sondern zu Ergebnissen zu kommen, mit denen alle Beteiligten gut leben können.

Der Wohlstand Europas scheint manche gegen die Freiheiten gleichgültig zu machen. Es gibt doch immer mehr Auswahl zwischen Produkten und Unterhaltungsangeboten … Genügt das? Reich wird das Leben erst durch freie menschliche Begegnungen, in freien, verantwortlichen Beziehungen mit anderen und der Umwelt und aus freien Betätigungen mit Sinn.

Matthias Kunstmann / maximil
Foto: johnnyb/pixelio.de

Zum Weiterdenken:

»Freiheit ist immer Freiheit der anders Denkenden.«
Rosa Luxemburg

»Es geht uns mit der Freiheit wie mit der Gesundheit: Erst wenn man sie nicht mehr hat, weiss man, was man an ihr hatte.«
Werner Finck

»Das Freisein von etwas erfährt seine Erfüllung erst in dem Freisein für etwas.«
Dietrich Bonhoeffer

»So wie die Freiheit eine Voraussetzung für die Demokratie ist, so schafft mehr Demokratie erst den Raum, in dem Freiheit praktiziert werden kann.«
Willy Brandt

»Freiheit im tiefsten Sinne des Wortes bedeutet (…) mehr, als ohne Rückhalt zu sagen, was ich denke. Freiheit bedeutet auch, dass ich den anderen sehe, mich in seine Lage hineinzuversetzen, in seine Erfahrungen hineinzufühlen und in seine Seele hineinzuschauen vermag und imstande bin, durch einfühlsames Begreifen von alledem meine Freiheit auszuweiten. Denn was ist das gegenseitige Verständnis anderes als die Ausweitung der Freiheit und die Vertiefung der Wahrheit?«
Václav Havel

[Dazu:
Erkenntnisse aus der Corona-Krise
Stabile Wirtschaft, ruhige Arbeit, angenehmes Leben
Alle gewinnen mit Empathie]

Themen: Allgemein · Kultur · Natur · Politik

1 Kommentar bis jetzt ↓

  • 1 André Schmidt // 4. Juli 2022, 13:11 Uhr

    »Freiheit ist der Atem des Lebens«, soll der christliche Widerstandskämpfer Alfred Delp gesagt haben.

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