Es ist Zeit für neue Gedanken. Besonders in der Politik, die Wichtiges regeln soll, was uns alle betrifft. Das funktioniert nicht mehr mit den alten Strukturen und Verfahren. Konflikte und Krisen in vielen Ländern kommen nicht aus gegensätzlichen politischen Ansichten der Menschen, sondern daher, dass die Politik ihre Aufgaben nicht erfüllt. Von Politikversagen ist die Rede. Damit nicht Mächtige, Unfähige oder Gefährliche bestimmen, unter welchen Bedingungen wir leben, muss sich Grundsätzliches ändern. Deshalb der Vorschlag, darüber nachzudenken: Brauchen wir Regierungen - oder regieren wir uns besser selbst?
Was tun Merkel und Gabriel, Hollande und Valls, Renzi und Alfano, Cameron, Obama, Putin und Medwedew, Erdoğan und Yıldırım, Szydło, Rajoy oder Juncker mitsamt ihren Ministerinnen und Ministern für die Völker? Was leisten sie, welche Schäden richten sie an? Lösen sie Probleme oder erzeugen sie welche? Ihre Köpfe sind ständig in den Medien, sie reden und über sie wird geredet, aber was genau wird durch sie für uns besser?
Wir sollen ihnen glauben, wenn sie uns sagen, dass die Probleme von aussen kommen, von Exportschwierigkeiten, von Billigkonkurrenz, von Weltmarktpreisen, vom Islamismus, von den Flüchtlingen, von der EU, von Verschwörergruppen, von Internetkriminellen, von der Mafia oder einfach von den anderen. Dabei sind sie selbst das Problem.
Die Regierungen vergrössern meistens die soziale Ungerechtigkeit. Sie verhindern humane Bildung. Sie lassen die Klimaerwärmung zu. Sie unterstützen die industrielle Landwirtschaft, die der Gesundheit, den Tieren und der Umwelt schadet. Sie reduzieren den öffentlichen Dienst und die Verwaltung, die für das Allgemeinwohl da ist. Sie beteiligen sich an der Ausbeutung armer Länder. Sie fördern die Rüstungsproduktion, heizen internationale Konflikte an und führen Krieg. Sie unterdrücken abweichende Ansichten. Sie brechen immer wieder das Recht, obwohl sie vom Rechtsstaat reden, und missachten die höchsten Gerichte. Sie halten nichts von echter Bürgerbeteiligung und direkter Demokratie.
Manchmal verteilen die Regierungen auch Wohltaten. In Deutschland hat die Regierung einen Mindestlohn eingeführt, nachdem es ihn in anderen Ländern längst gab. Der US-Präsident hat mit einer Gesundheitsreform versucht, den Armen medizinisch zu helfen; dies ist nur zum Teil gelungen. In der Bilanz sehen die Regierungen schlecht aus.
Mit ihrem Handeln und Unterlassen sind die derzeitigen Regierungschefs und -chefinnen, auch wenn sie sich demokratisch nennen - Wahlen verändern bekanntlich nur sehr wenig -, immer noch den selbstherrlichen Monarchen von früher ähnlich, der alten Obrigkeit, den autokratischen Staatsführern. Sie halten die steile Hierarchie aufrecht, in der die Oberen beschliessen und die Unteren die Folgen zu tragen haben. Zugleich sind die Regierenden die Spitzenkräfte der politischen Unterhaltung.
Viele Bürgerinnen und Bürger wollen es auch so. Schliesslich haben sie keine wirkliche Wahl. Die Wege zu Lösungen sind blockiert. Viele andere machen bei rechtslastigen Bewegungen mit, wollen die Regierenden stürzen und eigene Leute an deren Stelle setzen, sodass alles noch schlimmer würde. Nein, Verzweiflung ist furchtbar. Was wir brauchen, ist Vernunft.
In Spanien hat das Volk zuletzt zweimal hintereinander das Parlament gewählt, ohne dass dieses dann eine Regierung gewählt hätte. Es kann sein, dass das Wahlvolk noch öfter vergeblich antreten soll. Stattdessen sollten seine Abgeordneten im Parlament selbst das Nötige tun, ihre gemeinsame Verantwortung annehmen und politische Entscheidungen treffen. Ein Vorbild ist die Schweiz, die zwar eine bescheidene Kollegialregierung mit jährlich wechselndem Vorsitz, aber kein Staatsoberhaupt hat.
Regierungen sind Segel, das Volk ist Wind, der Staat ist Schiff, die Zeit ist See.
(Ludwig Börne, 1786-1837)
Wir können miteinander darüber sprechen, was wir wollen, was wir uns für das Zusammenleben wünschen, wie wir unsere Gemeinschaften, die Gesellschaft, das Miteinander der Völker gut finden. Wir brauchen Volksabstimmungen über alle wichtigen Fragen. Für anstehende Probleme brauchen wir gute Lösungen. Räte von berufenen Fachleuten, die von Parteien und Lobbys unabhängig sind, sollen zusammen mit festen Fachkräften der öffentlichen Verwaltung in transparenten Verfahren Lösungen erarbeiten und vorschlagen. Die vom Volk gewählten Parlamente sollen über die laufenden staatlichen Geschäfte sachlich, nachvollziehbar, mit wechselnden Mehrheiten entscheiden. Für internationale Verhandlungen werden kompetente Persönlichkeiten aus dem Parlament, der Verwaltung, der Bevölkerung entsandt. Das bedeutet: Regierungen brauchen wir nicht mehr.
Wir alle bestimmen, was geschehen soll. An der Entwicklung von Gedanken und Vorstellungen zu praxistauglichen Programmen sollten wir nach unseren Möglichkeiten mitwirken. In solchen gemeinsamen, gerechten Entscheidungsprozessen werden nicht alle Wünsche erfüllt, aber wir werden Ergebnisse erhalten, mit denen wir zufriedener sein können. Wir regieren uns selbst am besten!
Salvatore Gentilesco
übersetzt von maximil
[Dazu:
Fortschritt?
Wird etwas besser?
Alle gestalten mit - so geht Demokratie]
1 Kommentar bis jetzt ↓
1 edith weishaupt // 21. Mai 2017, 09:45 Uhr
wenn ich an so einige liebe mitmenschen denke, erfüllt mich der gedanke, daß diese leute eine politische stimme haben, mit grauen. das zeigt sich nun ja auch in der politischen szene weltweit.
demokratie müssen wir wohl erst noch lernen.
das geht nur, wenn auch die medien mitmachen und nicht z.b. das fernsehen zur besten sendezeit viel schwachsinn sendet und oft sehr gute produktionen in die nachtzeiten verlagert.
demokratische grüße
edith
Kommentar