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Unser reiches Land

21. Dezember 2017

Nie war Deutschland so reich wie jetzt. Schauen wir uns an, was frühere Generationen sich nicht vorstellen konnten, auch wenn sie sich in ihren Träumen viel Geld, eine Villa, ein Auto und Reisen in die Ferne wünschten. In anderen Weltgegenden erscheint es Menschen wie ein Paradies.

Schon die Lebensmittelmärkte voller Spezialitäten, Delikatessen von weit her, Appetit anregend verpackten Fertiggerichten … Der erste europäische Supermarkt eröffnete 1957 in Köln. Inwischen werden rund ein Drittel der erzeugten Lebensmittel früher oder später zum Abfall geworfen.

Die glitzernden Einkaufsgalerien, in denen sich Gastronomiebetriebe und Modegeschäfte auf mehreren Etagen aneinanderreihen, und das Geld dafür kommt von einem Kärtchen oder aus der Wand (dem Automaten) … Von Parkhäusern aus sind sie wettergeschützt erreichbar. Damit zum Konsum motiviert wird, begegnet Werbung, mit Hochglanz gedruckt oder audiovisuell inszeniert, an vielen Stellen, draussen, zu Haus, in den Medien.

Die grosszügigen Wohnungen sind warm, hell, haben komfortable Bäder und sind mit Arbeit sparenden Geräten ausgestattet, Geschirrspül- und Waschmaschinen sowie Trocknern und auch schon Robotern, bieten leichten Zugriff auf Vorräte in Tiefkühlschränken und unterhalten mit breiten Bildschirmen und aufwendigen Musikanlagen. Mobiliar und Accessoires werden öfter gemäss dem veränderten Zeitgeschmack ersetzt. Für mehr und grössere Haustiere ist auch Platz.

Mit Spielzeug sind die Kinder eingedeckt. Die bunten Dinge, die batteriebetrieben einiges von selbst können, lassen nicht mehr viel Raum für Fantasie.

Die grossen Autos mit elektronischen Fahr- und Navigationshilfen verkehren auf Strassen, deren Netz weiter verdichtet wird. Wer ein kleineres Fahrzeug nutzt, sieht einkommensschwach aus.

Die schnellen und bequemen Bahnen und Busse erleichtern es, mobil zu sein, auch spontan. Entfernte Orte sind nahe Ziele.

Reisen auf die andere Seite der Erde sind nichts Ungewöhnliches, wie auch nicht der Kurzurlaub an einem Palmenstrand oder eine Kreuzfahrt.

Verschiedenste Sportarten werden mit jeweils spezieller Ausrüstung praktiziert. Die meisten Aktiven schwitzen freiwillig, unbezahlt, zum Vergnügen.

Für die Gesundheit, das Wohlbefinden und die Schönheit wird viel getan. Ob sinnvoll oder nicht, zahllose Drogerien stellen eine Fülle von Pflege-, Reinigungs- und Kosmetikprodukten bereit, die sich oft weniger in der Substanz und mehr in der Verpackung, Anmutung und Verheissung unterscheiden.

Die Unterhaltung ist eine der bedeutendsten Industrien. Spektakuläre Veranstaltungen werden geboten, Sportereignisse oder Konzerte beeindrucken besonders in riesigen Arenen das Publikum, Kinos, Theater, unzählige Radio- und Fernsehsender sowie Internetplattformen machen Freizeitprogramme.

Informationen über die Welt sind mit Internet und mobiler Kommunikation überall in einer Menge zu bekommen, die eher verwirrt, als dass sie zu bewältigen ist: Was ist wichtig? Was fangen wir damit an?

Die Kunst - auch sie floriert, stellt sich in Galerien aus, wo einmal kleine Läden waren, und in neuen Museen, sie steht auf vielen öffentlichen Plätzen, und Kunstwerke sind Geldanlagen mit steigenden Renditen geworden. Häufig ist das Gestalten ein kulturelles Gewerbe, das zur humanen Bildung kaum etwas beiträgt.

Geht es uns gut? In diesem allgemeinen Wohlstand sollten wir wenig zu klagen haben. Dennoch sind die unerfreulichen Wirkungen zu sehen.

Der Reichtum verschwendet Rohstoffe und Energie und macht teils Schadstoffe daraus, er verbraucht Naturschätze und beeinträchtigt die Umweltqualität.

Die Gerechtigkeit fehlt. Zwar lässt unser Staat auch die Ärmsten nicht hungern, garantiert eine Wohnung und sorgt für Medizin. Aber keineswegs sind die Unterschiede im Einkommen einfach durch mehr oder weniger Leistungswillen bedingt. Eine Gesellschaft, die ungleiche Chancen nicht ausgleicht, die nicht eine gerechte Teilhabe ermöglicht, beachtet ein entscheidendes Gut nicht ausreichend und verletzt die Menschenwürde.

Unser Luxus ist auch ungerecht gegenüber armen Ländern. Ungünstige Voraussetzungen, besonders historische Abhängigkeiten benachteiligen Regionen. Deutsche Unternehmen profitieren nach wie vor und teilweise mehr denn je von Arbeitskräften und Ressourcen solcher Länder. Wenn Menschen von dort Anteil an unserem Reichtum wollen, dann ist das Anlass, die Strukturen der Weltwirtschaft zu ändern. Und wir können von unserem Überfluss noch weit mehr abgeben, ohne selbst Mangel zu leiden.

Mangel im Überfluss gibt es allerdings. Denn unbeherrschter Konsum verhindert, dass Menschen ihre Persönlichkeit entwickeln. Sie finden das nicht, wofür viele materielle Dinge nur ein unzureichender Ersatz sind, nämlich eigene und soziale Werte.

Der materielle Fortschritt fordert zugleich Verzicht auf einiges, was individuell und gesellschaftlich wertvoll ist. So gibt es kaum noch erholsame Ruhe, weil Arbeitsverhältnisse unsicher sind und der berufliche Druck zunimmt. Wenn Geschäfte nur noch über Rechner oder Automaten abgewickelt werden können, ist das vielleicht einfacher, aber es kommt kein menschliches Gespräch mehr zustande.

Folglich wirkt sich Reichtum zerstörend auf Menschen, ihre Gesellschaft und ihre Umwelt aus. Am krassesten ist dies im Militär, für das gerade Deutschland Unsummen zum Zweck der Vernichtung ausgibt, begründet auch damit, dass der nationale Wohlstand geschützt werden soll. Das Geld wäre stattdessen in Friedensdiensten gut angelegt.

Wir können für vieles dankbar sein. Wir sollten kritisch bewerten. Womit habe ich genug? Wenn ich immer mehr will, bin ich nie zufrieden.

Darauf kommt es an: vorhandene Güter achten, menschliche Werte schätzen, Gemeinschaft mitgestalten. Die Möglichkeiten des Geniessens sind da.

Matthias Kunstmann / maximil

[Dazu:
Geld fehlt Wert
Wirtschaft ist nicht alles
Fortschritt?
Schneller - wohin und warum?
Fällige Kritik des Wachstumsdenkens]

Themen: Allgemein · Kultur · Natur · Politik

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