16. März 2010
Die “Aktion Lebendiges Deutsch” sammelt und bewertet deutsche Entsprechungen für Ausdrücke, die aus dem Englischen kommen. Der
dahinter stehende Verein Deutsche Sprache begründet es so: “Wir bejahen die Bereicherung des Deutschen durch fremde Sprachen, und manche Importe gerade aus dem Englischen begrüssen wir. Unsere Initiative richtet sich allein gegen die schiere Anglomanie, gegen das Übermass.”
Anders gesagt:
- Englische Wörter werden in anderen Sprachen oft ungenau verstanden. Wenn sie aus Werbe-Interessen in die Welt gesetzt werden, verschleiern oder lügen sie sogar. Hier steht die Kommunikation zwischen Menschen in Frage. Meistens ist ein deutsches Wort deutlicher.
- Modische Wörter (egal woher sie kommen) können witzig sein, aber sie sind es umso weniger, je öfter sie nachgesprochen oder -geschrieben werden. Freie Persönlichkeiten werden entscheiden: Es ist besser, die eigene Sprache kreativ zu verwenden.
- Die deutsche Sprache hat eine grosse Geschichte und bietet vielfältige Möglichkeiten, etwas zu sagen. Sie kann und sollte sich gegen eine englische Welteinheitssprache behaupten und unsere Kultur beleben.
Aktion Lebendiges Deutsch: Angebote
Verein Deutsche Sprache
maximil
Themen: Allgemein · Kultur · Politik
4. März 2010
“Das Worte-Suchen verläuft im Schweigen, ohne Schweigen gibt es kein vernünftiges Sprechen. Was letzteres sei? Ein das Handeln nicht nur legitimierendes, sondern begründendes und verstehendes Sprechen, eine Benennung, die die Dinge weder ersetzt noch verbirgt, sondern hervortreten lässt.”
Barbara Sichtermann, “Die schweigende Mehrheit war weiblich”, in “Wer ist wie?”, Berlin 1987, S. 94
Themen: Allgemein · Kultur · Politik
2. März 2010
Es gehört einiges dazu, Politik und Schönheit zusammenzubringen. Die Politik, wie sie üblicherweise betrieben wird, ist für viele abstossend: Herrschaft, unter der die Beherrschten leiden; der obskure Kampf von Interessengruppen um Einfluss; Korruption; Verschwendung gemeinsam aufgebrachten Steuergeldes; Beschränkung auf Reparaturen und das Nötigste statt Einsatz für das Wichtige; Handeln gemäss angeblicher globaler Sachzwänge statt aufgrund gesellschaftlicher Bedürfnisse und humaner Möglichkeiten; dem gegenüber das verbreitete Gefühl, nicht mitbestimmen zu können. Und Schönheit? Die Meinungen über sie gehen auseinander (wie in der Politik), sind auch skeptisch, aber es gibt eine grosse Sehnsucht nach ihr. Sie ist nicht so leicht zu finden, sie wird in besonderen Augenblicken an Menschen erlebt, sonst eher am Rand der Gesellschaft, in der Natur, und sie begegnet in kulturellen Werken.
Damit ist umrissen, was es heisst, den Anspruch der Schönheit auf das Politische zu richten: Es kommt dabei auf Humanität, Ökologie und Bildung an, und zwar so, dass diese Werte nicht politisch instrumentalisiert werden, sondern Vorgaben sind. Im Namen der Schönheit können künstlerische Gegenstände und Inszenierungen deutlich machen, was menschenwürdig ist. Eine solche Initiative ist das Zentrum für Politische Schönheit. Die Beteiligten sind mit ihren Aktionen dabei, etwas zu bewirken.
Zentrum für Politische Schönheit
maximil
[Dazu:
Wird etwas besser?
Für Lust und Leben
Irritierend...]
Themen: Allgemein · Kultur · Natur · Politik
2. März 2010
Aufmerksam sein, bedenkenswert fragen, etwas zeigen, und auf diese Weise berühren und bewegen - das tut einer, der nicht angepasst ist, und nach seinem Verschwinden wird es deutlich und wirkt weiter.
“Über das Verschwinden”, Film, Regie und Buch Philipp Ruch, 2005, 16 min.
Über das Verschwinden (2005) von Politische Schönheit auf Vimeo
Aus solchem menschenwürdigen Verhalten kommt humane Politik.
maximil
Themen: Allgemein · Kultur · Politik
17. Februar 2010
Als das Fernsehen aufkam, hat sein Publikum damit einen immer grösseren Teil seiner Freizeit verbracht. Der Bildschirm öffnete in der Wohnung ein Fenster zur weiten Welt. Mit den Rechnern wurden Bildschirme an den Arbeitsplätzen aufgestellt, zunächst nur zu eng definierten Zwecken, dann multifunktional und vernetzt, und schnell sind die Computer auch ins Privatleben eingezogen. Viele Menschen leben inzwischen täglich stundenlang vor den Schirmen. Es ist angeraten, zu erkennen, was das bedeutet.
Wie verhalten sich Menschen am Rechner, dem Bildschirm gegenüber? Da die Geräte anders als das Fernsehen interaktiv sind, gibt es etwas zu tun. Deshalb wird hier zuerst das physische Verhalten beobachtet - nicht ein extremes, sondern der durchschnittliche Normalfall.
Arbeit mit den Fingerspitzen gibt es schon bei der Schreibmaschine, jetzt ist sie das Übliche: An verschiedenen Geräten werden Eingaben über Tastatur, Maus, Berührbildschirm oder Schalter erwartet, an Rechnern, Telefonen, Automaten für Geld oder Fahrkarten, Kassen, Steuer- und Registriergeräten - ausser wenn Daten mit einem Lesegerät erfasst werden. Die Finger werden beim Tippen und Klicken meistens gleichförmig von oben nach unten bewegt. Die Hände bewegen sich dabei und bei der Mausführung schematisch und auf engem Raum. Andere Fähigkeiten der Hände wie das Greifen - von dem sich das Begreifen ableitet - werden ausser bei der immer gleichen Maus nicht angewendet. Zielsicherheit und Ausdauer sind nötig, aber nicht Fingerspitzengefühl - das wird taub.
Das Wort “digital” kommt vom Zählen mit den Fingern; zum Rechnen werden die Hände so nicht mehr gebraucht, und auch vieles andere müssen sie nicht mehr können.
Zwischen der Eingabe und dem Ergebnis auf dem Schirm ist ein sinnlich nicht nachvollziehbarer Abstand. Das Ergebnis ist von verschiedenen Einstellungen (Formatierung etc.) abhängig und über das digitale Programm vermittelt, aber es hat nicht spürbar mit der normierten Hand- und Fingerbewegung zu tun.
Dem Bildschirm gegenüber ist der Blick auf ein Rechteck fixiert, oft im gleichbleibenden Abstand und stundenlang. Bei mobilen Kommunikationsgeräten ist das Sichtfeld klein. Die Darstellung ist zweidimensional. Anders als in der komplexen räumlichen Wirklichkeit ist die Sehtätigkeit sehr beschränkt und spezialisiert. Ton zum Hören ist dabei, andere sinnliche Fähigkeiten (Fühlen, Riechen, Schmecken…) werden nicht beansprucht.
Das Radio lässt dagegen viel mehr Freiheit für die Fantasie…
Die Körperhaltung vor dem Bildschirm ist insgesamt fast stillgestellt, der Mensch sitzt fest. Mit einem Buch oder einer Zeitung ist es anders: Lesen ist in verschiedenen Haltungen möglich, die Hände greifen und fühlen den Gegenstand, blättern um…
Bei interaktiven Geräten, besonders da, wo Automaten persönliche Beziehungen ersetzen, werden zudem die Besonderheiten und vielfältigen Ausdrucksmöglichkeiten der menschlichen Kommunikation nicht mehr gebraucht, der Ton der Sprache, der gegenseitige Blickkontakt, Mimik und Gestik. Die Tendenz ist, dass sie nicht ausreichend geübt werden, oder sie werden sogar verlernt.
Die digitale Technologie standardisiert menschliche Handlungs- und Denkweisen. Die meisten üblichen Anwendungsprogramme sind inzwischen gleich aufgebaut und verlangen die gleichen Vollzüge: Datei öffnen - bearbeiten - Schreibmarke setzen - markieren - kopieren und einfügen - Datei speichern; es wird immer wieder aus “Menüs” ausgewählt und mit “Eingabe” ein Beschluss ausgeführt; es wird heruntergeladen statt im Laden erworben. Zum Vergleich: Diese Arbeitschritte gelten auch für die digitale Bildbearbeitung, während sich in einem analogen Fotolabor ganz eigene Materialien, Handgriffe und Abläufe fanden. Das vereinheitlichte Handeln wirkt sich auf das Denken aus. Ausdrücke für häufige Vorgänge am Rechner wie “Multitasking” für den schnellen Wechsel zwischen Programmen und Bildschirmfenstern wurden auf die menschliche Bewältigung von Alltagssituationen übertragen - das macht den Einfluss deutlich.
Das Wissen der Menschheit liegt im Netz; zumindest das, was als relevant gilt, und dazu viel, was eher als kollektives Unbewusstes anzusehen ist und oft chaotisch anmutet. Alles, oder jedenfalls das, was üblicherweise gebraucht wird, ist im Internet abrufbar. Damit eröffnen sich einerseits ungeahnte Möglichkeiten. Andererseits: Wir müssen sowieso zu viel wissen - jetzt müssen wir uns nichts mehr merken. Über die Schnittstelle zwischen Mensch und Suchmaschine beziehen wir nach Bedarf Informationen, die wir meistens schnell wieder vergessen können, weil sie nur kurze Zeit aktuell sind. Das individuelle Gedächtnis schrumpft. Darin bleiben vielleicht noch persönliche Erinnerungen, an Erlebnisse, Begegnungen, Erfolge, Kränkungen, Genüsse. Früher wurde viel auswendig gelernt und war jederzeit präsent, Menschen konnten Geschichten erzählen, die sie nicht selbst erlebt, aber nachvollzogen hatten, sie sagten Gedichte auf, hatten historische Daten parat. Heute gibt es noch die erlebten Geschichten, aber wer kann auch nur einigermassen überzeugend die Geschichte eines gerade gesehenen Films wiedergeben?
Wenn das Gedächtnis fehlt, ist das Denken behindert. Denn das Denken braucht als Grundlage Wissensdaten, die es verbinden oder unterscheiden kann. Die müssen unmittelbar vorhanden sein - wenn sie erst technisch besorgt werden müssen, ist der Gedankengang unterbrochen. Überhaupt ist das Denken orientierungsgestört, wenn sich im Gedächtnis nicht schon Fakten und Beurteilungen zu einer Struktur angeordnet haben. Stattdessen spontanen Informationsimpulsen zu folgen, kann interessant sein und auch zu einer assoziativen Struktur führen, aber die wird ziemlich zufällig und beliebig. Übersicht und Durchblick werden so nur ausnahmsweise zustande kommen.
Die Beziehungen zwischen Menschen verändern sich. Im Netz pulsiert die Kommunikation. Weltweit gibt es schnelle Kontakte, Botschaften erreichen sofort ein globales Publikum. Allerdings sehen sich die Beteiligten meistens nicht, sie erleben nicht eine räumliche Begegnungssituation mit ihrer natürlichen und wichtigen Komplexität. Die grosse Masse der Aussagen in Foren und Blogkommentaren ist zudem banal, oberflächlich, nichtssagend. Die “Gemeinschaften”, die entstehen, sind vielfach fiktiv. Das Gefühl, dazuzugehören, ist dann kaum tiefgehend.
Das Vorgegebene im Netz, Texte, Bilder, Musik, ersetzt ausserdem sozialen Austausch im wirklichen Leben. Wir müssen niemanden fragen, mit niemandem diskutieren, mit niemandem etwas ausmachen. Vor dem Bildschirm sind wir allein - vor dem des Rechners noch mehr als vor dem (bisher noch getrennten) des Fernsehgeräts, das mit seinem festen Sendeprogramm oder einem vorrätigen DVD-Film noch gemeinsames Schauen veranlassen kann. Die menschliche Isolierung an den Bildschirmen reduziert am Arbeitsplatz und in der Freizeit sowohl soziale und kommunikative Fähigkeiten als auch die daraus sonst entstehenden Gewinne an Erfahrung, Selbstbewusstsein, Bildung und Gemeinschaftserleben.
Die Rechner und ihre Infrastruktur sind selbstverständlich Mittel für die Rationalisierung der Arbeit. Maschinen haben zunächst körperlich anstrengende und dreckige menschliche Arbeit übernommen. Dann sind durch die Rechner Arbeitskräfte in den Büros überflüssig geworden. Der Kampf um die Arbeitsplätze - den es bei entsprechend kürzerer Arbeitszeit für alle gar nicht geben müsste! - bringt Unsicherheit, Druck, Ängste, noch intensivere Vereinzelung mit sich, die weiteren Folgen sind Zwänge zu übermässiger Flexibilität und Mobilität. Dass es heute bei beruflicher Tätigkeit in der Ferne leichter ist, mit der Familie, den Freunden und Kolleginnen in der Heimat zu kommunizieren, ist nur ein schwacher Ausgleich. Wer keine Arbeit mehr hat, kann sich verstärkt dem Rechner daheim widmen.
Hier soll nicht die Rede sein von Internetsucht, Kriminalität im Netz, Datenmissbrauch, weil dafür die Technologie nicht Ursache ist und etwas dagegen getan werden kann, privat, rechtlich oder politisch.
Aber wie sollen wir mit dem alltäglich gewordenen Netz umgehen? Kaum jemand wird sich problemlos anpassen, und das sollten wir auch nicht. Angebracht ist eine gewisse Distanz, räumlich und kritisch: immer wieder rechtzeitig vom Schirm wegsehen, weggehen, eine Pause machen. Auch mal mit Stift und Papier schreiben, ein Buch lesen. Sich selbst fühlen und es spüren, wenn eine andere Beschäftigung wohler täte. Mit anderen Menschen zusammen sein. Es gibt ein Leben ausserhalb des Netzes…
maximil
Themen: Allgemein · Kultur
1. Februar 2010
Wenn die Sprache nicht funktioniert, ist die Kommunikation gestört, und Menschen kommen noch weniger miteinander klar als so schon. Sprache muss verständlich sein. Sie muss sich an Regeln halten - ohne oder gegen die Spielregeln kann sie zwar poetisch werden, aber das gemeinsame Spiel ist erst mal unterbrochen. Das richtige Wort an der passenden Stelle: So wird die Botschaft übermittelt.
Oft wird auch schriftlich nur geplaudert, ohne besondere Inhalte, zugunsten des sozialen Zusammengehörigkeitsgefühls. Wer darüber hinaus etwas sagen will, wird auf den Inhalt achten und bewusst sprechen. Um sich mit der Wirklichkeit auseinanderzusetzen und Gedanken oder Gefühle auszudrücken, bietet die Sprache differenzierte Möglichkeiten, die wahrgenommen werden sollten.
Modische Ausdrucksweisen übertragen eher Stimmungen als Bedeutungen. Solche Wörter und Wendungen werden meistens nicht bewusst verwendet, sondern nachahmend und aus Gewohnheit, und sind deshalb undeutlich. Häufig werden derartige Formulierungen, die überwiegend aus dem Englischen kommen, unverstanden benutzt - dagegen wären entsprechende deutsche Wörter viel aussagestärker.
Es gibt globale, nationale, regionale, lokale Sprachen - und die persönliche Sprache. Je mehr sich Sprachen vereinheitlichen und Anpassung verlangen, desto wichtiger wird es, die eigene Sprache zu finden, sie wertzuschätzen und zu gestalten.
maximil
Themen: Allgemein · Kultur
1. Januar 2010
“Divadlo Zahrada” (”Garten-Theater”), Broumov, Tschechien
Themen: Allgemein
17. Dezember 2009
Der Titel der Ausstellung “Gegen jede Vernunft. Surrealismus Paris - Prag” in Ludwigshafen ist irreführend. Die Bewegung des Surrealismus richtet sich jedenfalls von ihren ursprünglichen Absichten her nicht gegen die Vernunft. Sie wendet sich gegen ein falsches Verständnis davon, das autoritär oder aus Gewohnheit die Wahrnehmung beschränkt und damit die Vernunft behindert.
Mit dem Ausstellungstitel wird die Definition des Surrealismus in André Bretons Manifest von 1924 missverstanden. Sie besagt, dass sich das Denken “ohne jede Kontrolle durch die Vernunft” äussert. Entsprechende Verfahren sollen die Wahrnehmung befreien. Was dabei entdeckt wird, ist dann der Vernunft zugänglich, die es für das menschliche Leben auswertet. Mit Bezug auf Sigmund Freud, einen rationalen Denker, formulierte Breton: “Wenn die Tiefen unseres Geistes fremde Kräfte verbergen, die zu denen an der Oberfläche hinzukommen oder sie bekämpfen und besiegen können, dann besteht grosses Interesse daran, diese Kräfte zu fassen, sie erst einmal zu fassen zu bekommen, um sie danach gegebenenfalls der Kontrolle unserer Vernunft zu unterwerfen.”
Aber nehmen wir an, dass die sehenswerte Ludwigshafener Ausstellung surrealistisch provozieren will.
Sie zeigt besonders die Breite und Vielfalt des Surrealismus in der früheren Tschechoslowakei und die Beziehungen seiner Aktiven zur Szene in Frankreich. Es bleibt zu klären, was Surrealismus im Raum zwischen diesen Ländern, also in Deutschland, bedeutet.
André Breton, “Manifeste des Surrealismus”, Rowohlt TB 2009, 9,95 €
maximil
[Bezieht sich auf Surreales entdecken]
Themen: Allgemein · Kultur · Politik
17. Dezember 2009
“Glaube nicht, was sie dir sagen. Ich habe gelernt, selbst zu sehen, zu hören, zu fühlen. Da geschehen Wunder.” Diese Erkenntnis eines Weisen ist anwendbar auf Zeitungen, Fernsehen, Politik, Werbung, Gerüchte und auf Bücher, Bilder, Filme. Die Kunst ist auch ein Teil der Wirtschaft, hat einen Markt, wird gern ohne Fragen und Kritik konsumiert.
Dagegen hat Bertolt Brecht Widerstand aufgebaut, er wollte keinen kulinarischen Kunstgenuss, nicht Unterhaltung, sondern Anregung zu eigenem Denken, Provokation, die Veränderung ermöglicht. Wenn ein Gemälde, ein Roman, eine Theateraufführung einen Skandal auslöste, dann waren persönliche Stellungnahmen gefragt und Diskussionen über das, was daraus folgen konnte. Solche Furore ist aber nicht dazu nötig, dass ein Werk wirkt - wenn es gemäss Definition von Kunst originell, ungewöhnlich ist, kann jemand in der Begegnung mit ihm durch Gedanken und Gefühle etwas erfahren und sich bilden.
Bei Texten und Bildern, die eine eindeutige Botschaft zu übermitteln scheinen, kann Misstrauen angebracht sein, bei sachlichen Nachrichten und auch bei Kunst. Es kommt darauf an, wahrzunehmen: Was bedeutet es für mich? Was hat es mit mir zu tun? Wie wirkt es auf mich? Wie stehe ich dazu? Was kann ich damit anfangen? Was will ich antworten?
Auf der Suche nach Wahrheiten hinter den Aussagen und Dingen ist die Bewegung des Surrealismus weit gegangen. In ihr ist es möglich, die gegebene Wirklichkeit anders als üblich wahrzunehmen, Unbekanntes zu entdecken und aus dem Gefundenen immer wieder etwas Eigenes zu machen. Sie hat eine Revolution proklamiert. Sie will Freiheit gewinnen. Sie stösst auf Wunder. Surrealistische Kunst findet mitten im Leben statt.
Der Surrealismus offenbart und zeigt, er deutet Zeichen, Symbole und Mythen, er experimentiert und handelt, und dabei richtet er sich an die Sinne wie an den Verstand, an den ganzen Menschen, dem er nahe legt, selbst aktiv zu werden und die Wirklichkeit zu verändern: gegen Systeme, Ideologien, Vorurteile, Hierarchien, Privilegien, Kommerz, Leistungsprinzip - für Eigenart, Bewusstsein, Radikalität, Inspiration, Utopie, Miteinander, Liebe.
Die Literatur der Romantik hat den Surrealismus motiviert, Franz Kafka ist einer der bedeutendsten Surrealisten avant la lettre, der Dadaismus hat das Seine beigetragen. Die Bewegung hat sich seit etwa 1920 in Wort, Bild, Aktion weltweit verbreitet. Am Aufbruch von 1968 war sie vielfältig beteiligt. Neben häufig als surrealistisch genannten Persönlichkeiten wirkten andere mit, die meist nicht so bezeichnet werden, wie Joseph Beuys. Inzwischen hat sich Surrealistisches, die Aufmerksamkeit für surreale Situationen in verschiedene Richtungen weiter bewegt. Die Präsenz und das Potenzial dieser Bewegung ebenso wie unserer Welt sind es wert, dass wir sie wahrnehmen. Die Möglichkeiten sind da und können wirklich werden. Das ist umso wichtiger, je mehr die Welt ökonomisch, technisch, administrativ durchrationalisiert wird. Die unvermeidlichen Fehler dabei sind vielleicht Glücksfälle.
maximil
[Dazu:
Auf dieser Route
Wenn die Medien ausfallen]
Themen: Allgemein · Kultur · Politik
15. Oktober 2009
Bildung brauchen alle. Mit zu wenig davon ist ein Mensch im Nachteil, viel davon bringt Vorteile. Spätestens mit der Geburt fängt es an: Ein Kind bildet sich schon mit den ersten Erfahrungen, und es wird um so gebildeter, je mehr ihm andere Menschen, vor allem ältere und erfahrenere, dabei helfen.
“Gebildet” klingt elitär, aber in diesem veränderlichen Zustand sind wir alle mehr oder weniger. Er ist ein Bedürfnis und ein Anspruch. Zunächst drückt sich beides besonders in der Sprache aus, erst der gesprochenen und gehörten: Ein Mensch will seinen Mitmenschen etwas sagen, möglichst so, dass sie es optimal verstehen; und er oder sie will von den anderen wissen, was sie mitzuteilen haben.
Gebildet werden, immer mehr und besser, dieser Vorgang wird dann angetrieben von der gelesenen und geschriebenen Sprache. Mit Schrifttexten wird das Weltwissen verfügbar. Bilder vermitteln ebenfalls von Anfang an Bildung, wie das Wort schon sagt; und Klänge: sie bilden vor allem Gefühle.
Zur Bildung tragen die Schulbildung und die berufliche Ausbildung bei, aber sie sind nur ein Teil von ihr. Und das Ziel der Bildung ist nur zu einem geringen Teil ihre wirtschaftliche Verwertbarkeit. Bildung ist auch gar nicht gleichzusetzen mit Wissen oder verschiedenen Kompetenzen. Bei der Bildung geht es darum, über sich nachzudenken, bewusst zu entscheiden, sich zu entwickeln, verantwortlich zu handeln. Das Ziel der Bildung kann ein möglichst glückliches Leben sein.
Das Leben bildet und wird gebildet - wie und wie gut, das liegt bei den Betroffenen und allen Verantwortlichen.
Ein Buch, das das Wichtigste dazu sagt:
Hartmut von Hentig, “Bildung. Ein Essay”, Beltz Verlag Weinheim 2004
maximil
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