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Die Menschenwürde gilt für alle

29. Oktober 2019

IN DIESEM LAND und weltweit werden die grössten Probleme nicht gelöst: Gewalt in politischen Konflikten, soziale Ungerechtigkeit, mangelnde demokratische Mitbestimmung, Naturzerstörung, Klimakrise, Heimatverlust, falscher Fortschritt, Bildungsnotstand. Das alles hat damit zu tun, dass die Menschenwürde missachtet wird. Menschenwürde bedeutet: Alle Frauen, Männer, Diverse sind einzigartig, achtenswert und haben Anspruch auf gleiche Rechte. Weil diese Würde nur für einen kleinen Teil der Menschheit selbstverständlich ist, weil sie zunehmend bedroht ist und verletzt wird, ist es dringlich, über sie zu sprechen, sie bewusst zu machen und für sie einzustehen.

WER DIE WÜRDE anderer Menschen verletzt, beschädigt auch die eigene. Das sollte denjenigen klar sein, die Hass äussern, beleidigen oder schlimmere Gewalt anwenden. Häufig glauben sie, ihre eigene Würde sei zuvor angegriffen worden. Das kann zutreffen, ist aber kein Grund, sie selbst zu riskieren.

IN OSTDEUTSCHLAND VERKRAFTEN es viele nicht, dass Familienangehörige, Kolleginnen, Nachbarn oder Freundinnen in den Westen gegangen sind oder sonst wo mehr Erfolg hatten als die Dagebliebenen. Zusammen mit Erinnerungen an die frühere Gleichheit in der DDR kann das Ohnmachtsgefühle verursachen. Ähnlich fühlen sich Menschen im ganzen Land benachteiligt und machtlos. Dabei entstehen Aggressionen, die das gesellschaftliche Umfeld in eine bestimmte Richtung lenkt. Die Ursachen werden aber oft nicht erkannt und daher kommen keine geeigneten Vorschläge, um die Situation zu verbessern. Manche attackieren gerade die “Politische Korrektheit”, bei der es besonders sprachlich um mehr Respekt im Zusammenleben geht. Wenn sie ehrenwerte Leute als “Gutmenschen” verhöhnen, sind sie vielleicht selbst gern schlechte Menschen. Dennoch: So viel Verzweiflung muss nicht sein. Jeder und jede kann die eigene Würde bewahren und sich entsprechend verhalten.

EBENSO SOLLTEN DIEJENIGEN, die sich für Humanität einsetzen, die Menschen auf der anderen Seite nicht verachten. Sinnvollerweise reagieren sie auf Aggressivität besonnen, versuchen die eigentlichen Probleme herauszufinden und machen brauchbare Vorschläge: Gespräche sind immer möglich, und es muss mehr davon geben, auch veranstaltet und öffentlich, auf Augenhöhe und mit anständigen Regeln.


Straße der Menschenrechte in Nürnberg, gestaltet von Dani Karavan 1993 - Foto:
Martina Nolte, Lizenz
CC BY-SA 3.0 de

GERECHTIGKEIT IST HIER und heute eines der wichtigsten Themen. Ihre Schieflage widerspricht der Menschenwürde. Das ist ein Grund für Empörung. Die einen erben Millionen und brauchen nichts zu leisten, um das Leben geniessen zu können, die anderen werden in eine sozialhilfebedürftige Familie oder ein armes Land hineingeboren und müssen lang arbeiten, damit sie zu etwas Wohlstand gelangen. Gleiche Chancen gibt es da nicht. Statt den noch mehr Benachteiligten Hilfe zu verweigern, ist es richtig, die Bevorzugten in die Pflicht zu nehmen und so den gesellschaftlich erwirtschafteten Reichtum gerechter zu verteilen.

DIE ANSICHT, DASS “die da oben machen, was sie wollen”, trifft weitgehend zu. Zwar haben die Menschen in Europa die Meinungsfreiheit, aber ihnen wird zu wenig Würde zugestanden, wenn politisch oder wirtschaftlich über ihre Köpfe hinweg entschieden wird. Die Demokratie erfüllt so nicht den Anspruch der Menschenwürde. Bevor sie noch mehr in Misskredit gerät, ist es deshalb notwendig, sie weiterzuentwickeln: Die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger an allen wichtigen Vorhaben und Entscheidungen, in den Gemeinden, im Staat und darüber hinaus, muss ein Recht sein, einschliesslich verbindlicher Abstimmungen. Nur wenn alle - nicht erst ab dem Alter von 18 Jahren - über die gemeinsamen Angelegenheiten mitbestimmen können, lässt sich das Zusammenleben menschenwürdig gestalten.

PRÄSIDENTEN, KANZLERINNEN UND andere Regierungschefs haben heute noch eine Bedeutung wie früher Könige und Kaiser. Das ist längst nicht mehr zeitgemäss und verletzt die Menschenwürde der Bürger und Bürgerinnen - auch weil diese Führungspersonen mit ihren Aufgaben in den komplizierten Verhältnissen der Welt offensichtlich völlig überfordert sind. Es ist fällig, dass sie ihre Macht abgeben, ihre Ämter teilen und ihre Fähigkeiten so einbringen, wie es die Gemeinschaft beschliesst.

SOWEIT NATUR UND Klima geschädigt werden, beeinträchtigt dies das menschliche Wohlbefinden. Die Menschen sind frei, das zu tun, was sie können, wenn sie dabei die Rechte der anderen nicht verletzen - leider sind viele zu oft rücksichtslos. So greifen sie in natürliche Systeme ein, überschreiten einzuhaltende Grenzen, verschwenden Ressourcen und verbreiten Schadstoffe, verändern mit neuen Produkten oder Abläufen schon täglich die Lebensbedingungen auf der Erde. Damit beunruhigen und verunsichern sie viele andere Menschen, die sich an ihrem Wohnort kaum noch zu Hause fühlen. Zur Menschenwürde gehört neben der Freiheit die Verantwortung. Vor allem diejenigen, die wirtschaftliche und politische Macht haben, sind für die Fehlentwicklungen verantwortlich zu machen. Am besten beraten und entscheiden Gemeinschaften immer wieder darüber, wie sie sich so entwickeln, dass es für alle angenehm ist.

BILDUNG IST DAFÜR wesentlich. Sie ist mehr als Wissen und Information. Bildung vermittelt Werte, fördert Fähigkeiten und klärt Lebensfragen. Mit ihr wird es Menschen möglich, bewusst und verantwortlich das Richtige zu tun. Als Persönlichkeiten können sie sich auf neue Situationen einstellen und in ihrer Gemeinschaft nachhaltig mitwirken. An solcher weitreichender und politischer Bildung, die Menschenwürde zum Ausdruck bringt, mangelt es - umso mehr, als sich durch das Internet ein Informationschaos ausbreitet. Daher stellt sich eine entscheidende Aufgabe für die Schulen und Kitas, für Medien, für gemeinnützige Vereine und für alle Menschen.

MENSCHEN VERHALTEN SICH oft noch wie in der Steinzeit, obwohl die Zivilisation nicht nur zu materiellem Wohlstand, sondern auch zu den Ideen der Humanität gelangt ist. Immer noch soll Gewalt Konflikte lösen, während bessere Mittel nicht angewendet werden. Der Staat selbst handelt so mit seinem Militär, und die Industrie von Ländern, die angeblich den Menschenrechten verpflichtet sind, liefert Waffen und Munition in Kriegsgebiete und Diktaturen. Dadurch können sich gewaltbereite politische Gruppen gerechtfertigt sehen. Andererseits hat eine Zukunft schon begonnen, in der Menschen sich mitsamt ihrer Würde abschaffen, indem sie sich von technischen Geräten abhängig machen: von großen und kleinen Rechnern mit ihren Algorithmen, von selbstfahrenden Autos, Datenbrillen, Robotern, die denken und fühlen …

DASS MENSCHEN VERSUCHEN, menschlicher zu werden, ist das Beste, was sie leisten können.

Matthias Kunstmann / maximil

[Dazu:
Menschen schaffen sich ab
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Warum Ethik?
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Alle gewinnen mit Empathie
Alle gestalten mit - so geht Demokratie
Wirksamer Einsatz für Menschenrechte und Demokratie
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> Würdekompass: Initiative von Gerald Hüther

Themen: Allgemein · Kultur · Natur · Politik

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