“Heute morgen war es ruhig, ich hatte frei und war allein, da bin ich ins Nachdenken gekommen, ich wollte etwas für mich klären: Wie lebe ich richtig? Mir ist es nicht gleich, wie ich lebe. Andere erwarten Verschiedenes von mir, meine Mitmenschen, die Gesellschaft, der Staat. Aber ich will selbst über mein Leben bestimmen. Richtig leben, was ist das? Was meint ihr?”
“Richtig leben, das ist für mich: voll da sein, es gut haben, geniessen …”
“Ja, ohne Probleme, niemand macht mir Stress …”
“Wenn ich gar nicht mehr nachdenken muss, alles läuft von selbst.”
“So weit bin ich noch nicht, ich muss das doch irgendwie anfangen. Wissen, was ich will. Und mich dann entsprechend verhalten.”
“Das sehe ich auch so. Die Frage ist, wie ich da entscheide. Möglich ist ja viel. Manches ist nicht möglich, oder ich bekomme Ärger. Soll ich es ausprobieren?”
“Sei so frei! Dabei gibt es Regeln, die Jahrtausende alt sind, vielleicht sind sie naturgegeben, und die werden uns von Kind auf nahegebracht. Regeln, wie wir uns verhalten sollen, Ethik. Damit keine unnötigen Konflikte entstehen.”
“Dabei wird gerade über diese ethischen Regeln immer wieder gestritten …”
“Das hat sich auch im Lauf der Zeit geändert, was für falsch oder richtig gehalten wird.”
(Beispiel: Superbia)
“Nehmen wir als Beispiel einen Fehler, der einstmals einer der schlimmsten war, sodass die menschliche Gemeinschaft überlegen musste, wie die Betroffenen gebessert werden konnten. Es ist die Selbstüberschätzung, mit anderen Worten Arroganz, Überheblichkeit, Anmassung, Hochmut, Grössenwahn, Eitelkeit, Egoismus. Klassisch wurde vom Laster der ‘Superbia’ gesprochen. Mit einer solchen Einstellung setzt sich ein Mensch über andere, er hält sich für besser, als er ist, und für wichtiger als die anderen, lässt ausser Acht, dass allen die gleiche Würde und die gleichen Rechte zustehen. Damit haben wir es heute wie früher zu tun, im Persönlichen und in der Politik. Aber wie es aussieht, gilt dieser Fehler oft als normal. Angeblich muss sich jeder und jede im Wettbewerb behaupten. Und es wird geglaubt, mit Wissenschaft und Technologie bekämen wir alles in den Griff.”
“Wenn die Selbstkritik fehlt, wird es nervend und auch gefährlich.”
“Wir sollten die Beziehungen zwischen den Menschen pflegen.”
(Beispiel: Luxuria)
“Ein anderer Fehler, der uns besonders zu schaffen macht, ist die Grenzverletzung, Masslosigkeit, Übergriffigkeit, exzessiver Luxus, Verschwendung, Destruktivität, früher ‘Luxuria’ genannt. Das scheint zu unserer Kultur zu gehören und immer heftiger zu werden. Es ist eine mögliche Folge der Freiheit, die wir beanspruchen, zunehmenden Wissens und der entwickelten Fähigkeiten. Viele Menschen sind orientierungslos, lassen sich von Trieben oder irgendwelchen Vorgaben und Moden leiten. Für sie ist es beliebig, womit sie sich beschäftigen. Sie verzichten auf Bewusstsein. Und so sammeln Geheimdienste persönliche Daten, verkaufen Unternehmen Produkte ungeachtet der Risiken, werden Gene manipuliert und die menschliche Fortpflanzung programmiert, die Natur wird aus dem Gleichgewicht gebracht.”
“Da braucht es Bildung, damit Werte entdeckt werden und eigene Entscheidungen möglich sind.”
“Und es braucht die Ehrfurcht vor dem Leben, von der Albert Schweitzer gesprochen hat.”
(Beispiel: Gula)
“Noch ein schwerer Fehler: die Gier, das Habenwollen, Sucht, Ausbeutung, Wohlstandskult und der Glaube an unendliches Wachstum - einst war dergleichen bekannt als ‘Gula’. Wahrscheinlich ist das ein Fehler, weil etwas fehlt. Menschen empfinden eine innere Leere und wollen sie füllen. Statt Lust zu spüren zu etwas Sinnvollem.”
“Das würde Überernährung erklären, Konsumieren um jeden Preis, das dauernde Bedürfnis nach Unterhaltung, Medienreizen, immer Neuem.”
“Wohlstand bringt noch lange nicht Wohlbefinden.”
(Beispiel: Temperantia)
“Mängel werden also gelegentlich zu Vorteilen uminterpretiert. Damit täuschen sich die Betroffenen. Es ist auch im Interesse derjenigen, die von den Bedürfnissen anderer profitieren.”
“Das macht es nicht leichter, das Richtige zu finden.”
“Schauen wir mal. Eines, was ich sehe, kann in vielen Fällen helfen: Mässigung, oder anders gesagt Besinnung, Zurückhaltung, Bescheidenheit, Rücksicht, Achtsamkeit, das, was früher als ‘Temperantia’ bezeichnet wurde und eine der sogenannten Tugenden war. In unserer Zeit wird das nicht so sehr geschätzt. Aber ich habe gemerkt, dass es guttut.”
“Das heisst wohl, zu erkennen, was ich wirklich brauche und wie ich es am besten erreiche.”
“Vor allem wäre zu klären, wofür ich leben will.”
“Bescheidenheit muss ja nicht heissen, dass wir nicht unseren Träumen folgen und Bedeutendes verwirklichen.”
(Beispiel: Iustitia)
“Wichtig als Einstellung und Verhalten ist gleichermassen die Gerechtigkeit oder ‘Iustitia’. Alle sollen zu ihrem Recht kommen, sich entfalten können. Das ist eine persönliche und politische Aufgabe.”
“Dazu müssen wir kommunizieren. Sodass es einen Austausch ergibt, und Gemeinsamkeit.”
“Ich finde, dazu gehören Verständnis, Mitgefühl, Empathie.”
“Ich versuche wahrzunehmen, was du wahrnimmst.”
“Verantwortlich sein - ich will das, was ich tue, vertreten können, mit Gründen, die für andere nachvollziehbar sind.”
(Beispiel: Caritas)
“Uns kommt es auf Werte an. Vor allem ist da die Liebe zu sehen, als ‘Caritas’ bezeichnet, Zuwendung, Geben, Schenken, Helfen, Pflegen, Heilen - es gibt so viele Möglichkeiten: Freigebigkeit, Grosszügigkeit, Einsatz, Engagement, Zivilcourage, Friedfertigkeit, Menschlichkeit …”
“Alles das ist freiwillig. Zeitweise handle ich von selbst so, dann bin ich wieder sehr mit meinen eigenen Angelegenheiten befasst. Ich habe aber festgestellt: Wenn ich aufmerksam für andere bin, werde ich lockerer und offener, und es wirkt meistens bereichernd auf mich.”
“Leistung, fällt mir ein, ist auch ein Vorteil. Aber sie schädigt, wenn sie verlangt wird, um die Konkurrenz zwischen Menschen zu verschärfen und die Sozialleistungen zu verringern. Anders ist es, frei etwas für Mitmenschen oder die Gemeinschaft zu leisten.”
“Jetzt ist mir klarer, was richtig sein kann.”
(Etwas anders leben)
“Wie ich Konsequenzen ziehe, ist noch nicht so deutlich. Da sind Gewohnheiten, die sind oft hinderlich. Manche sind auch hilfreich.”
“Erkenntnis ist ein Anfang. Eigenschaften meines Charakters beobachten, die ich ablehne, und solche, die ich befürworte, Schwächen und Stärken. Wenn wir anders leben wollen, sollten wir es einüben. Dann wird sich etwas ereignen.”
“Wir können uns dabei bewusst sein, dass es um Glück geht.”
“Ich kann zumindest immer mal wieder zufrieden sein.”
“Weil es stimmt.”
Schülerinnen und Schüler gestalten in Karlsruhe eine Woche lang ein internationales Bildungsprogramm
Die wichtigen Angelegenheiten des Lebens werden in der Schule meistens zu wenig behandelt. Bildung findet natürlich an verschiedenen Orten statt. Junge Leute können aber zu den Themen, die für sie interessant sind, ein eigenes schulisches Programm organisieren. Sie tun das in Karlsruhe jährlich für die “Schülertage”: Von Schülerinnen und Schülern selbst verantwortet geht es eine Woche lang in Seminaren und Arbeitsgruppen um Menschenrechte, Globalisierung, Umwelt, Nachhaltigkeit, Bildungssysteme, Konfliktlösungen, Migration, Kulturen, Religionen, Medien … Gleichaltrige Referentinnen und Referenten kommen auch aus anderen Kontinenten, und bis zu 1500 Schülerinnen und Schüler nehmen jedes Jahr teil.
Von einem Weltkongress der Jugend 2003 in Marokko ist die Idee nach Karlsruhe gelangt. Unterstützt von der Stadt und vielen Schulen haben sich immer wieder Jugendliche zur aufwendigen Vorbereitung zusammengefunden. Zu den Schülertagen 2013 vom 30. September bis zum 4. Oktober unter dem Titel “Kontrastprogramm” sind alle Karlsruher Schülerinnen und Schüler ab Klassenstufe 9 eingeladen, sich an den Vormittagen in der Pädagogischen Hochschule zu bilden. Mitwirkende aus Burkina Faso, Mosambik, Südafrika und von den Philippinen berichten und beantworten Fragen. Zu den Themen gehören das Recht auf Wasser, der Waffenhandel, traditionelles Wissen. Am 4. Oktober ist das Programm zum ersten Mal öffentlich, denn es hat auch Älteren etwas zu bieten.
ier sein. Im Korbsessel mit dem kühlen Kissen, auf dem rissigen Holzboden, dicht an der gekalkten Wand. Manchmal kann ich ganz hier sein. Die Gedanken laufen nicht mehr zum letzten nervigen Telefongespräch, sie kehren auch zusammen mit den besorgten Gefühlen von dem Vermittlungstermin morgen zurück zu mir. Ich sitze hier, an diesem Ort, an dem nur ich bin. Einzigartig. Ich spüre. Atme. Bin mitten in der Welt.
ch geniesse diesen Moment. Danach bin ich anders als vorher, das ist meine Erfahrung. Ich bin präsenter, selbstbewusster, freier. Weiss genauer, worauf es ankommt. Ich wende mich meinen Mitmenschen achtsamer zu.
olches Hiersein und das, was daraus folgt, lässt sich religiös oder spirituell nennen. Es ist mehr als ein Verhalten oder eine Methode. Für mich ist es ein ursprüngliches Erlebnis. Es gelingt mir nicht einfach, wenn ich es will. Aber ich suche es. Dieses und anderes.
raussen kenne ich einen Baum, eine grosse Linde am Rand einer Kräuterwiese. Vor dieser Linde, in gewissem Abstand, stehe ich andächtig. Diesmal sehe ich von mir ab und schaue auf die Linde. Ich gehe aus mir heraus. Ich lasse mich nicht stören. Ich nehme wahr. Wie sie da auf dem Erdboden steht. Wie ihre Äste, Zweige, Blätter und die zarten geflügelten Blüten in der Luft sind, vor dem Himmel. Ich kann den Baum nicht erklären und will es nicht. Ich ahne schon vieles. Vielleicht ist in der Linde eine Seele.
ie strenge Wissenschaft würde dies als unsinnig einstufen. Aber was ich mir vorstellen kann, ist da. Nur nicht greifbar oder festlegbar. Es ist immer wieder wunderbar. Bereichernd. Wie Musik - früher wurde angenommen, dass sie von den Klängen der Sterne kommt. Ich werde berührt, von weit her, und empfinde das Mögliche als so wirklich, dass es mich ein wenig erneuern kann. Zur Kultur gehört die Poesie, das ist verständlich und erfreulich.
enn ich religiös inspiriert lebe, werden Beziehungen geschaffen und gestaltet. Das kann so geschehen: Ich schreibe einer Freundin einen Brief, auf echtem Papier, mit einem Tintenstift. In Ruhe sinne ich nach, wie es ihr gerade geht und was sie besonders interessiert, und erzähle ihr meine Geschichten. Mit meiner Schrift. Für ihr Leben. Ein andermal spreche ich auf der Strasse mit einem Fremden, der unsicher scheint, und auch da weiss ich intuitiv, was ich tue und wofür es gut ist. Gleich in welcher Situation ich mit einem Menschen zu tun habe, es ist nie zufällig, sondern bedeutet etwas. Ein Philosoph hat formuliert: “Um Religion zu haben, muss der Mensch erst die Menschheit gefunden haben, und er findet sie nur in Liebe und durch Liebe.” (*) Für mich ist es richtig, alles Leben zu lieben.
chön, wenn das, was wir erleben, zusammenstimmt. Wenn ich kritisch mit mir und anderen einig bin. Wenn wir dem Ganzen vertrauen. In Glaubensgemeinschaften wie den Religionen kann sich dies ereignen. Ihre Festlegungen, Vorschriften und Machtstrukturen sind allerdings auch hinderlich. Ebenso wie das, was unsere globale Zivilisation nahelegt: aufwendiger Konsum, mediale Illusionen, Selbstoptimierung. Die Aufgabe der Religionen ist, die Erinnerung an das wirklich Wichtige wachzuhalten und das gute, begeisterte Leben zu vergegenwärtigen. Glauben heisst für mich aber nur vermuten. Lieber möchte ich hoffen.
Claire Destinée
(* Friedrich Schleiermacher, “Über die Religion. Reden an die Gebildeten unter ihren Verächtern”, Berlin 1799, S. 89)
Nachbarn können nervig sein. Oft verstehen sie einander so wenig, dass Streit um Kleinigkeiten eskaliert und die Justiz beansprucht. Denn ihre Nähe zueinander konfrontiert sie immer wieder. Die gemeinsame Grenze trennt und verbindet. Von wegen über Grenzen hinausgehen! Das hiesse den anderen zu nahe treten.
ZURECHTGERÜCKT
Früher hat ein Nachbar auch mal im Dunkeln einen Grenzstein versetzt, um sein Gelände zu vergrössern. Dafür musste er, so erzählten die Leute, nach seinem Tod als Geist umgehen, mit dem Stein auf dem Rücken. Des Nachts erschreckte er manch einen, der draussen unterwegs war, und fragte mit dumpfer Stimme: “Wo soll ich ihn hintun?” Erst wenn einer auf die richtige Antwort kam, nämlich: “Dahin, wo du ihn hergenommen hast!”, war der Nachbarschaftsstörer erlöst.
AUSTAUSCH
Wenn Nachbarn oder Nachbarinnen miteinander auskommen, kann es ihnen viel bringen: Austausch von Wichtigem, das den Wohnort betrifft, und gegenseitige Hilfe, gleich ob ein Haushalt für spontane Gäste zum Kaffee Milch und Zucker braucht, ob eine Familie die Nachbarskinder hütet oder gemeinsam ein Freisitz gebaut wird. Mit Hausfesten, Strassenfesten gestalten sie begeisternde und erinnernswerte gemeinschaftliche Ereignisse. Nachbarschaft im weiteren Kreis des Stadtteils oder der Siedlung lebt in Kindertagesstätten, Jugendzentren, Lokalen, der den Interessen entsprechenden Vielfalt der Vereine.
MOBIL ALLEIN
Aber an vielen anderen Orten geht nichts zusammen. In urbanen Räumen leben Menschen Wand an Wand nebeneinander her. Nachbarn auf derselben Etage grüssen sich gerade noch und lernen einander nicht kennen. Manche verspüren kein Bedürfnis, Kontakt aufzunehmen, manche finden keine passende Gelegenheit. Das ist immer häufiger so. Die Mobilität, die angesagt und gefordert ist, führt dazu, dass Berufstätige fern von zu Hause arbeiten, lang unterwegs sind, auch Wochen auswärts bleiben. Die Wohnung ist für sie nur ein Stützpunkt, und bei einer neuen Tätigkeit oder einer neuen Beziehung wird sie schnell gewechselt, wie auch der Wohnort. So können kaum noch nachbarschaftliche Beziehungen zustande kommen - während Menschen immer üblicher allein wohnen. Um nicht unter Einsamkeit zu leiden, wird Nähe mittels Telekommunikation, auf Internetplattformen oder im Fernsehen gesucht. Dort ist die “Lindenstrasse” die emotional wärmende Utopie einer Nachbarschaft.
RÜCKZUG
Auf dem Land, wo sich Familien längerfristig niederlassen, sind Strukturen für Treffen und Gemeinschaft verschwunden. Zur Rationalisierung wurden politische und religiöse Gemeinden aufgelöst, Lokale, Läden und Betriebe konnten sich nicht halten. Dörfer sind das Einzugsgebiet der Städte oder so abgelegen, dass viele junge Leute mangels Betätigungsaussichten wegziehen.
SELBST GESTALTETE BEZIEHUNGEN
Wer zu wem gehört, ist nur noch zeitweise vorgegeben. Wir können wählen und entscheiden, mit wem wir zu tun haben. Da es den Wunsch nach Gemeinschaft gibt, muss sie erst geschaffen werden. Mit Ideen, Initiativen, Kommunikation stiften Menschen in Städten und ländlichen Regionen neue Nachbarschaft. Mehrgenerationenhäuser, in denen Alte mit Jungen selbstbestimmt zusammenleben, sind ein Beispiel, ebenso andere gemeinsam gestaltete Wohnprojekte. Bürgerbeteiligung bringt Leute zusammen, die sich für ihren Stadtteil oder ihre Gemeinde verantwortlich fühlen. Ein Haus, das zum Abriss vorgesehen war, ist vorher noch zum Forschungsraum für die Zukunft einer Stadt geworden, deren Bewohnerinnen und Bewohner darin und drumherum mit Gästen gelernt, diskutiert, ausprobiert, geplant und vielfältige belebende Beziehungen hergestellt haben. Andernorts ist ein Tag der offenen Hinterhöfe, an dem die Ansässigen einander einladen und das vorstellen, was ihnen wichtig ist, der Anlass für gemeinsame neue Anfänge. In ländlichen Gemeinden öffnen wieder Dorfläden, bieten regionale Produkte an und werden mit Café, Schwarzem Brett und Dienstleistungen wie einer Poststelle zum Treffpunkt. Für die Kinder werden sogar, damit sie zum Lernen nicht weit fahren müssen, Kleinschulen am Ort erhalten.
Ist der Surrealismus der Kommunismus der Genialität? - Solange ihr nicht seht, denkt an die, die sehen! - Öffnen Sie den Mund wie einen Backofen, und es werden Haselnüsse herauskommen. - Wenn ihr die Liebe liebt, werdet ihr den Surrealismus lieben. - Der Regenschirm der Schokolade hat sein Gold verloren. Tauchen Sie ihn in die Tür und flechten Sie. - Eltern, erzählt euren Kindern eure Träume!
Flugblätter - “Papillons” - mit diesen Texten wurden 1924/25 in Paris verteilt. Sie enthielten die Adresse des “Büros für surrealistische Forschungen” in der Rue de Grenelle 15, das mehrmals wöchentlich für das interessierte Publikum geöffnet war. Mitglieder der surrealistischen Bewegung nahmen dort Berichte über ungewöhnliche Beobachtungen, eigenartige Ereignisse, seltsame Zufälle, besondere Wahrnehmungen entgegen, auch merkwürdige Fundstücke, es wurde darüber diskutiert und versucht, damit etwas anzufangen.
“Die Poesie … Es kann eine Zeit kommen, in der sie das Geld abschafft und selbst das Brot des Himmels für die Erde verteilt. … Man muss es nur darauf anlegen, die Poesie zu praktizieren.” (André Breton, Manifest des Surrealismus)
Wasser ist für alle da - es kommt frisch aus dem Hahn, und die Kosten fallen kaum auf. Das ist aber nicht selbstverständlich. Nicht nur in Ländern, in denen es wenig regnet, gibt es Konflikte um das Lebensmittel Wasser. Auch in Europa können zwei Millionen Menschen nicht problemlos sauberes Trinkwasser erhalten. Weltweit verdienen große Unternehmen an seiner Verteilung, am Bau und Betrieb der Versorgungsinfrastruktur und am Verkauf in Flaschen. Sie wollen ihr Geschäft ausweiten. Das treibt die Preise hoch und ist oft nachteilig für die Qualität. Um das Wasser als öffentliches Gut in Europa und darüber hinaus zu schützen, hat sich das internationale Bündnis “Wasser ist ein Menschenrecht” gebildet, aus Gewerkschaften, Sozial- und Gesundheitsorganisationen, Umweltverbänden. Es nutzt die neue Möglichkeit in der Europäischen Union, dass Bürgerinnen und Bürger mit einer Million Unterschriften einen Vorschlag machen können, den die EU-Kommission mit einer Anhörung im EU-Parlament prüfen muss. Eine solche “Europäische Bürgerinitiative” kann, wenn sie intensiv angewendet wird, die Demokratie weiterentwickeln und die Einführung EU-weiter Volksentscheide vorbereiten. Bei der Wasser-Initiative geht es besonders darum, dass das Trinkwasser nicht als Handelsware dem Wettbewerb und der Privatwirtschaft überlassen wird, sondern als Gemeingut und öffentliche Dienstleistung für alle Menschen auf Dauer zu bekommen ist.
Jemand spricht aus einem Kasten, einem kleinen, einer Schatulle. Die Stimme ist im Raum, erreicht mich, ich höre ihre Botschaft. Ich weiss, dass die freundliche Sprecherin weit weg ist, vielleicht hat sie dies schon vor Langem gesprochen, sagt jetzt etwas anderes, das ich nicht höre, oder schweigt. Ein Kind kann annehmen, dass sie in dem Kästchen sitzt. Früher hätte das als Magie gegolten, aber wir sind das Radio gewohnt.
Botschaften sagen uns, dass wir uns anders verhalten könnten und damit einem Ziel näher kämen. Dies unterstützen Ratgeber in verschiedenen Medien, Organisationen wie die Gewerkschaften, die auch gelegentlich einen Streik veranstalten, Religionsgemeinschaften … Es genügt nicht, informiert zu sein, Erkenntnisse sollen wirken, und das soll sich sogar öffentlich zeigen, um weitere Bewegungen anzuregen.
Auf einem Stadtplatz mit vielen Geschäften und Cafés bleiben da und dort einzelne Leute gleichzeitig stehen und bewegen sich nicht mehr. Nach einer Weile setzen sie Einkaufstüten auf den Boden und gehen weiter. Sie begrüssen irgendwelche anderen Passantinnen und Passanten mit “Hallo!”, reichen die Hand zum Gruss, “Freut mich, Sie zu sehen!” Dann richten sie den Blick über die Dächer zum Himmel. Die gebrauchten Tüten können schriftliche Erklärungen enthalten, zum Beispiel von Möglichkeiten des bewussten Konsums oder Vorschlägen, gemeinsam Interessen zu vertreten.
Was da verwundert, ist ein Radioballett. Das tanzt nicht in einer Sendung wie das Fernsehballett der öffentlich inszenierten privaten Samstagabendunterhaltung. Beim Radioballett, das von der Hamburger Künstlergruppe Ligna eingeführt wurde, machen die Hörerinnen und Hörer mit. Sie haben Taschenradios und Ohrhörer dabei. Gerade strahlt ein lokales freies Radio die Aktionshinweise aus. So handeln die Beteiligten ganz freiwillig an verschiedenen Orten zugleich, sie weichen eigenverantwortlich vom Gewohnten ab, machen auf ein Anliegen aufmerksam und sind in der Entfernung miteinander verbunden. Einige von ihnen haben den Sendetext verfasst, denn dieses Radio ist nicht nur telefonisch zugänglich und wird vom Publikum als Medium verwendet.
Ein Ziel ist, Zwänge des Üblichen probeweise ausser Kraft zu setzen. Stimmen können suggestiv wirksam sein. Wenn ich mir etwas vorsagen lasse, wird mir nichts vorgeschrieben, und doch kann ich den Worten nicht ausweichen. Ein geschriebener Text lässt mir meine Zeit, ihn zu lesen und mir sehr Unterschiedliches dabei vorzustellen. Die Stimme ist persönlicher und gestaltet die Szenerie. Zum Verständnis fordert sie nicht die Konzentration wie ein Bild. Das Radio ist ein Risiko. Beim Hören der Stimmen soll immer wieder klar werden, dass dies ein Ausnahmezustand ist - es ist kein Gespräch, sondern ein Versuch, mit dem wir etwas erreichen können.
Hier bekommst du ein Buch, grossformatig, grüner Leineneinband. Was fängst du damit an? Lesen? Es ist ein Katalog, der Tausende anderer Bücher verzeichnet. Wenn du über sie etwas wissen willst, erfährst du es im Internet. Aus diesem Buch kann ein Ding, ein Bild, eine Geschichte werden.
So ist es auch mit anderen Gegenständen, denen ich begegne oder die mir begegnen: Ich stosse auf etwas, es fällt mir auf, ist auf einmal mitten in meinem Blickfeld. Warum? Es sieht fremd aus und doch bekannt. Ich weiss zwar, was es ist und wozu es üblicherweise verwendet wird; aber es erinnert mich an etwas anderes, zunächst ungenau, dann deutlicher. Es hat mit mir zu tun. Gefühle regen sich. Da denke ich an eine Person, ein Geschehnis, hellsichtiger als zuvor. Wie es weitergehen kann, stelle ich mir jetzt vor, und das will ich frei bestimmen.
Den Titel lesen, den Inhalt schmecken … ein Buchobjekt (Foto: G.L.Grünebaum, Wikipedia, Lizenz Creative Commons)
Ein Buch wird in Elemente geteilt, die mit Objekten anderer Herkunft, Symbolen und Aufzeichnungen neu zusammengesetzt und hinter Glas gesammelt sind. Ein Buch ist der Boden für ein Gewächs. Ein Buch nimmt persönliche Nachrichten auf und gibt sie wieder. Bücher erhalten Wände für ein schmales Haus, an dem Masken hängen. Bücher erscheinen als Waffe und blutendes Opfer. Seiten aus Büchern sind der Hintergrund für die Vision eines Menschen in technischer Umgebung … Bücher sind offenbar, auch wenn sie nicht mehr zum Lesen gebraucht werden, besonders inspirierend. Das zeigen die Künstlerinnen und Künstler, die von der Badischen Landesbibliothek in Karlsruhe ausgemusterte Katalogbände bekommen haben.
Ein Garten ist ein Stück Natur in der Zivilisation. Menschen können da die Natur gestalten, wie es ihnen gefällt: mit Blüten, Laubschatten, Rasen zum Liegen oder für Spiele, Bänken zum Sitzen, Schauen oder Lesen, Kunstgegenständen zum Wundern. Das können Fachleute vom Grünflächenamt in öffentlichen Parks herrichten und Privatleute im eigenen Grün. Die pflanzen, giessen und hegen auch gern Obst und Gemüse und versorgen sich mit ihren frischen Lebensmitteln selbst. Leben in Zusammenarbeit mit der Natur ist besonders und tut gut.
Dabei haben Gärten meistens Nachbarschaft ohne Mauern und wirken damit kommunikativ. Wenn gleich gemeinsam gegärtnert wird, entwickelt sich das möglichst ökologische Geschehen zu immer wieder neuen sozialen Ereignissen. Gemeinschaftsgärten werden zu entspannt und nachhaltig wachsenden Orten der Demokratie, der vielfältigen Bildung und des kulturellen Austauschs. Menschen verschiedenster Herkunft haben einen fruchtbaren Grund, miteinander zu wirtschaften, zu reden, zu ruhen, zu feiern. Es wachsen humane Werte: Verständnis, Wissen, Fähigkeiten, Beziehungen, Kreativität.
Gemüse-Giessen im Berliner Tiergarten 1945 (Bundesarchiv, Bild 183-H0813-0600-009 / CC-BY-SA, Creative Commons)
Die eigene landwirtschaftliche Tätigkeit ist wichtig als Ausgleich für zivilisatorische Ansprüche an Leistung, dafür, dass sonst viele technische Vorgaben zu erfüllen sind, und wenn sonst freie Zeit mit Medien verbracht wird, mit denen sich die Welt nicht fassen lässt, dann kann das Gartenwerk erden. In Europa war es existenziell, als nach dem Weltkrieg auch die Grünanlagen des Berliner Tiergartens verwüstet waren und die hungernden Stadtmenschen dort Kartoffeln, Kraut und Rüben anbauten. In anderen Gegenden der Erde ist es heute noch und wieder eine Frage des Überlebens, ob Menschen für ihre Nahrungsmittel auf Konzerne und Behörden angewiesen sind oder ob sie wenigstens auf einer kleinen Fläche die Kraft der Natur nutzen können, um Essbares für den Eigenbedarf, Tausch und Handel zu ernten.
Paradiesgarten zum Verweilen und Genuss für Heilige bei Gespräch, Literatur und Musik inmitten einer Artenvielfalt von 27 Pflanzen und 15 Tieren, gemalt von einem unbekannten Meister am Oberrhein um 1410 und aufbewahrt im Städelschen Kunstinstitut und Städtische Galerie Frankfurt am Main
Die Agrikultur der Welt hat eine Fülle von Früchten hervorgebracht und Räume für schönen Aufenthalt geschaffen, überdies zeitigte sie verschiedenste Kenntnisse und wertvolle Geschichten. In Gärten als Plätzen der interkulturellen Begegnung können Junge und Alte das alles geniessen.