14. März 2012
Nachhaltig, das Wort klingt nicht besonders, eher wie eine Phrase. Von Nachhaltigkeit wird viel geredet, aber oft wird bei dem Wort nicht klar, was daran wichtig ist: Es geht darum, wie wir leben.
Den eigenen Interessen folgen und dabei die Interessen der anderen und der Gemeinschaft berücksichtigen, das ist nachhaltig. Die Menschen sind nämlich aufeinander angewiesen, und wenn die Gemeinschaft leidet, nützt sie allen weniger. In Zeiten verschärfter Konkurrenz wird viel Aufwand nur damit verbraucht, sich gegen andere zu behaupten - gemeinsam wäre mehr zu erreichen.
Nachhaltig ist bekanntlich ebenso, die natürlichen Lebensgrundlagen zu beachten. Mit der Natur handeln ist vorteilhaft, auch wenn es stellenweise nötig ist, sich vor ihr zu schützen. Die Biosphäre ist eine grössere Gemeinschaft.
Beim Denken und Tun kommt es auf einen weiten Horizont an, auf Orientierung und auf das Wahrnehmen von Zusammenhängen. Eine Entscheidung im konkreten Fall sollte auch später noch vertretbar sein, daher ist es oft angebracht, Druck auszuweichen und sich Zeit zu lassen, bis ein Beschluss reif ist.
Verantwortung ist gefragt. Das heisst, auf Anfragen von anderen, Bedürfnisse der Mitwelt und Kritik gute Antworten geben zu können, die ein weiteres friedliches Zusammenleben ermöglichen.
So sind die Voraussetzungen für alles Weitere günstig. Nachhaltigkeit bedeutet Sicherheit, jedenfalls nach menschlichem Ermessen; zumindest bedeutet sie, vorbereitet zu sein, um auf Überraschungen sinnvoll zu reagieren. Auch wenn sich viel verändert - Wünschenswertes bekommt Dauer.
Nachhaltigkeit als Verzicht zu verstehen, trifft es also nicht. Stattdessen: Schädliches weglassen, dafür Wertvolles gewinnen. Ökonomisch liegt es auf der Hand, dass das Reduzieren von überflüssigem Verbrauch eine Ersparnis und rentabel ist. Darüber hinaus ist Nachhaltigkeit bereichernd.
Sie erzielt neue Qualitäten: Ökologisch und sozial gestaltete Produkte und Dienstleistungen sind besser, auch weil sie gute Gedanken und Gefühle vermitteln. Ethisches Verhalten hat einen spürbaren Wert in sich, zugleich bewährt es sich im stimmigen Verhältnis zu den Mitmenschen und zur Umwelt. Nachhaltiges Handeln fördert die Gesundheit und das Wohlbefinden. Es löst Sachzwänge auf und schafft Frei- und Spielräume.
Es verbindet mit Menschen. Wir teilen Werte, arbeiten zusammen, erweitern im Austausch unsere Erfahrung und Bildung, wir geniessen gemeinsam. Dabei entstehen Geschichten.
Nachhaltig ist lebenswichtig. Wenn wir nachhaltig leben, wird es uns gut gehen.
maximil
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10. Januar 2012
An diesen Tagen mit tief ziehenden, grauschwarzen Wolken achte ich besonders auf Licht. Vor der Abenddämmerung in der Stadt war auf einmal ein Widerschein an den obersten Stockwerken der Häuser, sie leuchteten, Wände, Fenster und Dachtraufen, wie wenn es gerade keine anderen Wohnräume gegeben hätte. Danach ragte im Schimmer einer Strassenlaterne das kahle Geäst einer Eiche ins Dunkel.
“Ich stelle mir das Meeresleuchten vor, das ich noch nie gesehen habe”, höre ich Marie sagen. Und Daniel: “Ich sehe am Himmel Sterne, die es vielleicht schon lang nicht mehr gibt.” Eine andere Stimme, es ist André, sagt: “Diese Musik ist für mich voll Licht von innen.”
Die Hinweise veranlassen mich, zu Haus im Arbeitszimmer die Lampe vom Fenstereck hinüber vor das Bild mit dem gelben Pegasus zu stellen, auch wenn ich nicht weiss, ob da ein kleines Pferd der Musen auf einer steinigen Hochebene in den schrägen Strahlen der Sonne steht oder ob es ein geflügelter Esel ist oder die Vision eines Engels in anderer Gestalt, mit einem schmalen Schatten. Die Botschaft der Fotografie ist mit Licht geschrieben. Sie erhellt einen Bereich meiner Empfindungen, in dem ich darauf gerade sehr ansprechbar bin.
Claire Destinée
> Lichtbiologie
Themen: Allgemein · Kultur · Natur
30. November 2011
Geld regiert die Welt, das ist als Sprichwort schon für das Jahr 1616 dokumentiert, im Buch “Teütsche Sprach und Weissheit” von Georg Henisch. Gemeint ist üblicherweise, dass die Reichen die Politik bestimmen. Inzwischen scheint die Aussage wörtlich und grundsätzlich zuzutreffen. Das Geld ist zu einer entscheidenden Macht geworden, weder seine Besitzer noch die Börsen kontrollieren es mehr, und bedeutende Regierungen folgen seinen Vorgaben. Das Kapital, nach dem das herrschende Wirtschaftssystem benannt ist, dominiert in seiner absoluten Substanz, nicht mehr als Produktionsmittel wie Fabriken oder Maschinen oder als konkrete Produkte, sondern als Finanzkapital, das schliesslich nur noch in Zahlen ohne jeden greifbaren Gegenwert existiert. Massgeblich sind nicht mehr die Warenmärkte, es sind die Finanzmärkte. Sie treiben die Politik vor sich her - dies stellen auch etablierte Medien wie der Südwestrundfunk und die Süddeutsche Zeitung offen fest.
Philosophisch könnte gesagt werden: Das Geld ist der Geist des Materialismus. Es kann für eine quasi religiöse Kraft gehalten werden, die bei zunehmender Skepsis gegen die alten Religionen von der Menschheit immer mehr verehrt und dabei immer weniger fassbar wird.
In früheren Zeiten war das Geld nicht so bedeutsam, wie es in unserer Zivilisation geworden ist. Die Menschen als Mitglieder überschaubarer Gemeinschaften in Dörfern und kleinen Städten versorgten sich gegenseitig mit dem Lebensnotwendigen und Unterhaltung, ohne es in Geld zu berechnen. Der Handel über weitere Entfernungen mit vermittelnden Kaufleuten machte Geld erforderlich und nützlich, ebenso die Massenproduktion in Fabriken, wofür Tauschgeschäfte nicht mehr geeignet waren, ebenso musste in den neuen spezialisierten Arbeitsverhältnissen der Lohn in Geld ausgezahlt werden, und die gegenseitige soziale Unterstützung in besonderen Lebenslagen wurde von der Sozialversicherung mit Beiträgen und Geldleistungen abgelöst.
Damit ist das Geld insgesamt das Medium einer arbeitsteiligen Gesellschaft, die auf seine Wirksamkeit angewiesen ist. Aber es hat eine eigene Dynamik, es kann zum Selbstzweck werden. Aus dieser Erkenntnis heraus haben an echten Werten interessierte Menschen die Naturalwirtschaft wiederentdeckt und Tauschringe eingerichtet. Auch neues Regionalgeld wird als Alternative ausgegeben, das sich nicht unbegrenzt vermehren, stattdessen gezielt einer menschenfreundlichen Wirtschaft zugutekommen soll.
Seit die ersten Banken am Beginn der Neuzeit in Europa Geld für unternehmerische Geschäfte vorgestreckt haben, hat sich die Wirtschaft intensiv entwickelt und Wohlstand erzeugt. Zugleich ist es zu Fehlentwicklungen mit fatalen Folgen gekommen. Denn geliehenes Geld verführt dazu, die mit ihm gewonnenen Vorteile zu geniessen, ohne noch an die Abhängigkeit von ihm zu denken. Es wird als eigenes Kapital angesehen und hat sich doch in Schulden verwandelt. Ein Unternehmen, das genug Gewinn macht, um mit einem Teil davon die Kreditzinsen zu bezahlen, hat kaum ein Interesse, die Schulden auszugleichen; im Interesse von kurzfristigem Genuss und längerfristigem Wachstum nimmt es stattdessen immer neue und größere Kredite auf. Die Banken sind dabei behilflich, weil sie selbst daran verdienen. Der Kredit, der als Begriff vom lateinischen Wort für “glauben” abgeleitet ist, bedeutet in der Wirtschaft für den Gläubiger nicht, dass er glaubt, der Schuldner werde das Darlehen in der vereinbarten Frist zurückzahlen - er glaubt vielmehr, ein dauerhaft wachsendes Unternehmen werde ihm immer höhere Profite bescheren. So bauen nicht nur Unternehmen und Konzerne oder Einzelpersonen, sondern ebenso Staaten statt auf festen Fundamenten auf immer grösseren Schuldenlöchern auf. Sie leben über ihre Verhätnisse.
Die Finanzwirtschaft kann aus Nichts Geld machen: das ist die “Geldschöpfung”. Diese Kreativität muss von Weisheit gelenkt sein, sonst kann sie Unheil zeitigen. In den letzten Jahren hat sich aber das Geld in den verschiedensten konkreten, abstrakten und fiktiven Formen so sehr vermehrt und verflüchtigt, dass es unsteuerbar scheint und fast alle Lebensbereiche beherrschen kann. Die Industrie produziert massiv auf Pump und ihre Bilanzen zeigen den Einfluss der Banken. Viele Unternehmen zielen in ihrem Geschäft statt auf Nutzen auf Luxus und Spekulation. Wirtschaft und Politik verursachen schon lange Schäden an Umwelt, Gesellschaft und Menschenleben und werden überraschend mit den unkalkulierten Kosten konfrontiert. Es wirkt absurd, dass mitten im grössten bisher erreichten Wohlstand unter dem Diktat des Geldes Firmen die Beschäftigten entlassen und im Gesundheitswesen, in den sozialen Diensten, in der Bildung, der Kultur und der Rechtspflege am Wichtigsten gespart wird.
Die angeblichen Kürzungsgründe, Rationalisierungsnotwendigkeiten und Sachzwänge sind zu bestreiten. Gegen die Macht des Geldes, der Geldbesitzenden und der vom Geld Besessenen gibt es persönlichen und politischen Widerstand. Wir brauchen Werte, die sich mit Geld nicht messen lassen. Geld ist nur ein Mittel von vielen, solche Werte zu schaffen und zu erhalten. Menschliches Wollen, Denken und Handeln sind dafür viel wichtiger.
> Jürgen Habermas, “Rettet die Würde der Demokratie”: zum Vorschlag einer Volksabstimmung in Griechenland in der Euro-Krise (Frankfurter Allgemeine Zeitung 4.11.2011)
> GLS Bank: “Geld ist für die Menschen da!”
> UmweltBank
> Triodos Bank: “Nachhaltigkeitsbank”
> Tauschringe
> Regiogeld
maximil
[Dazu:
Fällige Kritik des Wachstumsdenkens
Fortschritt?]
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29. August 2011
Wo bin ich zu Haus? Das fragt sich André, weil er Zweifel hat, dass er am richtigen Ort ist. Mit seiner Wohnung ist er zufrieden, das ist es nicht, er hat sie nach seinem Stilempfinden eingerichtet, die Nachbarn sind verträglich. “Aber die Stadt …”, sagt André zu Ben, als er ihn auf dem Land besucht und sie vor dem Forsthaus sitzen. “Ich glaubte früher, wenn ich einen Ort wähle, um da zu leben, dann kann ich da zu Haus sein. In dieser Stadt ist es mir nicht gelungen.”
Ben blickt über die Wiesen auf die Wohngebäude und Scheunen am Rand des Dorfes. “Was meinst du mit ‘zu Haus sein’?”
André senkt einen Zeigefinger auf den Holztisch. “Ein Gefühl für diesen Ort bekommen. Mich vertraut fühlen, also nicht mehr fremd. Einen Grund unter den Füssen spüren, einen bestimmten. Zu den Menschen gehören - und da wird es schwierig.”
“Du willst nicht zu irgendwelchen Leuten gehören. Wenn du dich nicht besser verständigen kannst als anderswo, dann kannst du auf den Ort verzichten. Dann ist das, was Heimat genannt wird, für dich fraglich.”
“Ja”, sagt André, und beide schauen einander an, “deshalb will ich es wie Claire sehen. Von ihr habe ich gehört: Ich lebe mit den Menschen, die ich liebe, auf der Erde.”
“Wo ich meinen Hut hinhäng, da ist mein Zuhause.”
Udo Lindenberg
Daheim sein ist schwieriger geworden. Schon zur Schule und dann zur Arbeitsstelle ist anders als früher oft ein weiter Weg zurückzulegen. Die Arbeit ist immer weniger dauerhaft, Kollegen und Kolleginnen verlassen einander notwendigerweise oder freiwillig, eine neue Stelle kann im Ausland liegen. Für viele hat das durchaus den Reiz des Abenteuers. Die globalisierte Welt wird andererseits gleichförmiger, sodass sich in der Ferne Bekanntes wiederfindet: Markenlebensmittel, Kettenläden, internationale Hotels. Auch wenn der berufliche Radius geringer ist, kann die weite Welt über Fernsehen, Radio, Internet, Mobilfunkgeräte jederzeit die private Wohnung in eine exotische Szenerie verwandeln, mit Bildern und Geschichten, die gleichzeitig für Millionen andere Menschen existieren.
Mobil sein ist hoch bewertet, deutlich höher als an einem Ort bleiben. Viel Zeit wird in Fahrzeugen verbracht, oder vom Erdboden abgehoben in Flugzeugen. Die Geschwindigkeit wird kaum zu dem Zweck gesteigert, schneller wieder heimzukommen, vielmehr dazu, weitere Strecken hinter sich zu bringen. So sind Menschen in der Bewegung daheim, mehr und anders als schon immer die nomadischen Völker, die über Generationen dieselben Wege ziehen, ohne Eile, und sich an denselben Rastplätzen niederlassen. Den unruhigen Reisenden des 21. Jahrhunderts bieten ihre bewegten Gehäuse meist nicht die gewohnte Umgebung wie ein Wohnmobil oder ein eigenes Schiff.
Hausboot in der Ostsee bei Wismar (Foto: dumman / pixelio.de)
Wenn schlimmstenfalls Naturkatastrophen oder politische Gewalt Menschen aus der örtlichen, sozialen und kulturellen Heimat vertreiben, sind die Flüchtlinge zur Integration in einem Aufnahmeland mehr oder weniger gezwungen. Das Einleben muss ihnen schwerfallen, solange sie ungewiss auf Heimkehr hoffen. Ihnen fehlen Rechte, teilzuhaben und politisch mitzuwirken, die wichtig sind, damit Einheimische und Zugewanderte in einer Gemeinschaft zu Haus sein können.
Stan Laurel und Oliver Hardy in “Bonnie Scotland”, 1935
Heimat sind Beziehungen, zunächst alles, was Familienangehörige, Freunde und Freundinnen, Bekannte verbindet, auch wenn sie auf verschiedenen Kontinenten leben. Familien sind aber kleiner geworden und weniger verlässlich, Lebenspartner und -partnerinnen trennen sich öfter, und Facebook-Freundschaften sind meistens nicht wirklich welche. Also kommt es darauf an, wie intensiv, empathisch, zuwendend wir miteinander in Beziehung sind.
Als fremd erfährt sich dagegen, wer mit anderen nicht einigermassen den eigenen Bedürfnissen entsprechend kommunizieren kann. Das Gefühl des Fremdseins bleibt, bis ein ausreichendes gegenseitiges Verständnis da ist und es zudem gelingt, sich in entscheidenden Fragen des Miteinanderlebens einig zu sein. Fremdheit ist besonders im Verhältnis zu anderen Menschen zu bewältigen, aber auch im Verhältnis zur Natur und Umwelt. Wissenschaft, Technik, die Zivilisation erschweren eher das Verständnis für die Natur und haben das Auskommen mit ihr zu einer überlebenswichtigen Aufgabe gemacht. Als fremd können Menschen ausserdem sich selbst empfinden, wenn sie die eigenen Motive und Ziele nicht verstehen und nicht bei sich sein können.
“Alles Unglück der Menschen kommt allein daher, dass sie nicht ruhig in einem Zimmer bleiben können.”
Blaise Pascal
Unruhe treibt dazu, immer wieder Neues zu erleben und das, was war, zu vergessen; das kann bedeuten, die Mitmenschen und sich selbst zu verlieren. Die globale Wirtschaft funktioniert ähnlich nach dem Prinzip der Innovation um jeden Preis, auf Kosten sozialer Beziehungen, der Umwelt und der Besinnung. Fortschritt ist zweifelhaft, er führt oft in eine falsche Richtung und erfüllt Bedürfnisse nicht. Das Glück wird in der Zukunft erwartet, die Möglichkeiten des Hier und Jetzt werden übergangen.
“Wir haben hier keine bleibende Stadt, denn die zukünftige suchen wir.”
Bibel, Hebräerbrief
Kinder, die mit zu wenig Halt in Familie und Nachbarschaft aufwachsen, leiden auch im späteren Leben mehr unter Ängsten, sind beeinflussbarer und müssen mehr darum kämpfen, ein vertrauenswürdiges Zuhause zu finden und mit anderen und sich selbst klarzukommen. Währenddessen wird öffentlich viel über Sicherheit geredet, weil die Zivilisation ständig neue Gefahren erzeugt. So bleibt die Welt Wildnis, in der immer wieder Plätze zu einem Zuhause kultiviert werden müssen.
“Heimat ist die glückliche Stunde des Daseins. Zur Heimat wird ein allmählich dem Unheimlichen abgerungenes Stück der Welt.”
Alexander Mitscherlich
Gibt es ein virtuelles Zuhause, eine Heimat im Internet - in Gemeinschaften, deren Mitglieder sich kaum jemals wirklich begegnen? Die Kommunikation über Bildschirme ist beschränkt. Berühren lassen sich nur diese Oberflächen. Zusammenhänge zwischen den übermittelten Botschaften und dem Lebensatem sind kaum zu erkennen. Die reale Welt draussen ist weniger kontrollierbar. Dort - daran muss manchmal erinnert werden - ist es möglich, sich in Räumen und Weite spürbar selbst zu bewegen, anderen ins Gesicht zu sehen, mit allen Sinnen wahrzunehmen. Dabei gibt es Wertvolles zu entdecken und zu gestalten.
Sylvie trifft André und Ben in der Stadt, in einer Ausstellung über Architektur. Sie deutet auf ein Bild: “Im Vergleich mit extremen Formen eines Zuhauses kann ich mein eigenes besser bestimmen. Schaut den Säulenheiligen an - sein Wohnturm ist schwer zu ersteigen, der Raum ist minimal, zwischen Erde und Himmel, über den anderen Menschen, zu denen der Mönch nur Sicht- und Sprechkontakt und den der Lebensmittelspenden hat. Es scheint, als sei er zufrieden.”
Der Heilige Simeon Stylites auf seiner Säule in Syrien, gemalt in Armenien im 13. Jahrhundert (Nationalgalerie Erevan)
maximil
[Dazu:
Schneller - wohin und warum?
Fortschritt?
Vor dem Bildschirm]
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20. Juli 2011
Über gewaltsame politische Konflikte wie seit dem Frühjahr 2011 in Libyen gibt es viele Informationen, aber wenig gesichertes Wissen. Jahrelang hat sich die Weltöffentlichkeit kaum für die Verhältnisse in solchen autokratisch regierten Ländern interessiert, jetzt wird von Beteiligten, Fachleuten und Korrespondenten Auskunft erwartet, wobei alle ihre eigenen Blickwinkel haben, aus denen kein klares Gesamtbild entsteht. Die Lage ist bei näherem Hinsehen immer kompliziert. Wer sie beurteilen will, muss ausserdem seine Kriterien und Werte geklärt haben. Üblicherweise bleiben die Bilder der Konflikte vordergründig: maschinengewehrschwenkende junge Männer im Konvoi, durch Raketen zerstörte Gebäude, kämpferische Erklärungen von Repräsentanten, Klagen und Wut der Angehörigen von Opfern. Schnell werden Linien gezogen, die Situation wird vereinfacht und schwarz-weiss dargestellt, dann wird gemäss den persönlichen und gesellschaftlichen Ansprüchen Partei genommen.
Menschenrechte und Demokratie unterstützen, das geht nicht einfach so, dass die Aufständischen gegen eine Herrschaft unkritisch Schützenhilfe erhalten. Es geht überhaupt nicht, indem andere Staaten militärisch eingreifen. Wenn geschossen und zurückgeschossen wird und immer mehr Blut fliesst, verhärten sich die Fronten und vertiefen sich die Gräben in einem Land, der Konflikt eskaliert, und der Hass wird sich lange nicht mehr beruhigen. Wenn gebombt wird, trifft es zudem auch Unschuldige. Verletzende Gewalt gegen Menschen ist nie ein Einsatz für Menschenrechte, sondern selbst ein Verbrechen. Die internationalen Militäreinsätze im Irak und in Afghanistan haben neues grosses Leid über die Menschen gebracht.
Anstatt unvernünftig und sinnlos zu intervenieren, ist von den Konfliktparteien zuallererst Gewaltverzicht zu verlangen. Sie müssen sich an allgemein verbindliche rechtliche Regeln halten, andernfalls würden ihnen Sanktionen auferlegt, wie besonders wirtschaftlicher Boykott. Aktionen dieser Art werden bisher zu wenig praktiziert. Menschenrechtsinitiativen und die Demokratiebewegung eines Landes im Aufbruch dürfen darauf setzen, beraten zu werden, Vorschläge für ihr Handeln und den Aufbau neuer Strukturen zu bekommen und von anderswo bewährten Konzepten zu erfahren. Aber auch Vertretern eines Unrechtsregimes kann Zusammenarbeit angeboten werden, wenn sie zu Veränderungen bereit sind. Wirksam ist Hilfe, die konstruktive Gespräche ermöglicht, der Bevölkerung politische Bildung vermittelt und Wege zu einem allseits akzeptierten Miteinander öffnet.
Am besten ist es, bedrohlichen Konflikten rechtzeitig durch Aufklärung sowie die Entwicklung des Rechtswesens, der Demokratie und freier Medien vorzubeugen und dabei immer gemeinsame Lösungsversuche zu unternehmen. Zumindest ist es ratsam, solche Konflikte schon zu bearbeiten, sobald sie entstehen. Diese Aufgaben erfüllen Friedensorganisationen in vielen Krisengebieten. Von Deutschland aus werden sie seit 1999 als Ziviler Friedensdienst staatlich gefördert. Sie beweisen, dass fälschlich behauptet wird, gegen Unrecht gäbe es nur die Wahl zwischen Militäreinsatz und Nichtstun. Das Militär mit der ihm verbundenen Industrie und Politik hat ein grosses Interesse daran, unentbehrlich zu erscheinen. Die Friedensfachkräfte können dann oft nur noch versuchen, Konflikte einzudämmen, die Folgen kriegerischer Zerstörung einer Gesellschaft zu mildern und zu verhindern, dass verstärkte Feindbilder beim nächsten Anlass zu weiterer Gewalt führen.
Das Vorhaben des Zivilen Friedensdienstes widerspricht traditionellen und überholten Vorstellungen von Konfliktlösung durch Gewalt. Die Absicht ist, Konfliktursachen anzugehen, zusammen mit Betroffenen und Beteiligten zu Verständigung und Vertrauen beizutragen und ein friedliches Zusammenleben auf Dauer zu sichern. Für seine humanitäre Aufgabe ist der deutsche Zivile Friedensdienst minimal ausgestattet: Gerade 30 Millionen Euro hat der Staat 2010 dafür ausgegeben. Mit zusätzlichen freiwillig von der Bevölkerung aufgebrachten Mitteln leisten derzeit etwa 240 Beauftragte in 44 Ländern nachhaltigen Dienst für Frieden und Demokratie. Diese Arbeit braucht mehr Aufmerksamkeit, Anerkennung und Unterstützung, denn sie ist wahrer Einsatz für die Menschenwürde.
> Ziviler Friedensdienst: Projekte
maximil
[Dazu:
Demokratie und was dran ist
Theater für Menschenrechte
Kaufen macht einen Unterschied]
Themen: Allgemein · Kultur · Politik
6. Mai 2011
Frisches Wasser aus dem Hahn ist nicht selbstverständlich. Vor 50 Jahren konnten moderne mitteleuropäische Hotels noch damit werben, dass sie Zimmer “mit fliessend kaltem und warmem Wasser” hatten. Auf dem Land gehörten zu den Häusern eigene Brunnen, aus denen das Wasser mit Schwengelpumpen von Hand in Eimer gefördert wurde. In neueren Häusern gab es Leitungen vom Brunnen auf dem Grundstück in die Küchen und Bäder, dafür war eine elektrische Pumpe nötig, die manchmal ausfiel - dann mussten die Familien bei den Nachbarn Wasser holen. Schliesslich rumpelten Bagger ins Dorf, die noch ungeteerten Strassen und Wege, auf denen die Kinder gespielt hatten, wurden aufgerissen, und Arbeiter verlegten Rohre und Anschlüsse für die zentrale Wasserversorgung. Aber in harten Wintern kam es immer noch vor, dass die Wasserleitungen im Haus einfroren …
Millionen Menschen in ärmeren Ländern schöpfen ihr Trinkwasser indessen weiter aus Flüssen und schlammigen Tümpeln. Oft enthält es Krankheitserreger oder schädliche Chemikalien. In Gebieten mit Leitungsnetzen wird dem Wasser auch in Europa vielerorts Chlor zugegeben, um Bakterien abzutöten. Spuren verschiedener Medikamente aus Abwässern und Nitrate aus der Landwirtschaft lassen sich in den Wasserwerken nur schwer herausfiltern. Es passiert in Hitzeperioden, dass den Haushalten das Wasser für Stunden abgedreht ist. Trotz Regen erreicht höher gelegene Wohnungen manchmal gar kein Wasser mehr, denn der Druck in den Rohren ist zu niedrig - als Folge von Lecks und anderen Mängeln einer vernachlässigten Infrastruktur, für die finanzschwache Städte oder profitgierige private Wassergesellschaften, denen sie ihre Versorgung überlassen haben, verantwortlich sind.
Wasser, das elementare Lebensmittel, wird im grossen, vielfachen Naturkreislauf von Verdunstung, Wolken, Niederschlag, Versickerung, Quellen, Wurzeln, Trinken, Ausscheiden, Flüssen, Meeren immer wieder gereinigt und verteilt. Wie die Luft ist es erst einmal im Überfluss für alle da. Menschliche Gemeinschaften haben es sich auf verschiedene Weise verfügbar gemacht, mit Aquädukten, Zisternen, Wassertürmen, Aufbereitungsanlagen, Qualitätskontrollen. Dabei ist das Wasser auch zur Ware geworden: Je höher der technische und organisatorische Aufwand für das Bereitstellen, desto mehr reizen Geschäfte damit. Konzerne haben weltweit von öffentlichen Unternehmen das Gewinnen und Vermarkten des Wassers übernommen. Wo es kein Leitungswasser gibt oder die Leute ihm nicht trauen, wird Wasser in Flaschen angeboten und konsumiert, teuer, zum Teil von zweifelhafter Qualität und umweltschädlich durch Lastwagentransport und zurückbleibenden Plastikmüll.
Trinkwasserbrunnen am Denkmal für die erste liberale Verfassung von Baden in Karlsruhe, von Friedrich Weinbrenner 1826
Aber Gemeinschaften achten auch wieder auf ihre Ressource Wasser. Die Stadt München fördert die ökologische Landwirtschaft in den Gebieten, aus deren Böden sie ihr Wasser bezieht, damit möglichst keine schädlichen Stoffe eindringen. Paris hat seine Wasserversorgung von zwei Konzernen übernommen und zeigt Stolz auf die kulturelle Leistung, den Menschen einer Metropole zuverlässig und kostengünstig sauberes Wasser zu liefern. Eigens gestaltete Karaffen für Haushalte und Gastronomie verdeutlichen den Wert des stets verfügbaren Wassers aus der Leitung. Zudem wird wieder aufmerksam gemacht auf die Hunderte öffentlicher Brunnen in der Stadt, von denen viele seit dem 19. Jahrhundert in typischer Form Trinkwasser spenden. Der freie Zugang zum frischen Nass freut auch Obdachlose.
Während Berlin immerhin 16 öffentliche Trinkwasserbrunnen anbietet, sind es im südlicher gelegenen Karlsruhe 74, und Stuttgart wirbt mit 19 frei zugänglichen Brunnen, aus denen Mineralwasser fliesst. Die Stadt nimmt die vor einigen Jahren an den EnBW-Konzern abgegebene Wasserversorgung inzwischen wieder in die eigenen Hände. Im französischen Wallfahrtsort Lourdes rinnt aus Hähnen sogar Heilwasser … Besonderen Überfluss an freiem Trinkwasser gewährt Bewohnenden und Reisenden die Schweiz. Eine Stadt mit rund 37.000 Menschen wie Chur lässt es aus 126 Brunnen sprudeln.
> “Water Makes Money” - Film über Wirtschaft und Politik des Wassers
> Stadtwerke München - Ökologisch gewonnenes Wasser für alle
> Eau de Paris - Die neue gemeinnützige Wasserversorgung (französisch)
> Trinkwasserbrunnen in Paris (Wikipedia)
maximil
Themen: Allgemein · Kultur · Natur · Politik
26. April 2011
Wird in Deutschland genug getan, um Plagiate bei wissenschaftlichen Arbeiten zu verhindern? Die meisten Hochschulen in Österreich kontrollieren grundsätzlich die Abschlussarbeiten ihrer Studierenden mit automatischen Plagiat-Erkennungsprogrammen. Diese können zwar nicht sicher feststellen, ob jemand getrickst hat oder nicht, aber sie können Hinweise für weitere Nachprüfungen geben - und vor allem abschreckend wirken. An deutschen Hochschulen werden solche Tests erst von einzelnen Instituten vorgenommen.
Ein Beispiel aus Österreich: Die Alpen-Adria-Universität Klagenfurt überprüft seit 2008 alle wissenschaftlichen Abschlussarbeiten automatisch auf Internet-Plagiate. Die Studierenden müssen dazu ihre Arbeit als Datei auf einen Server der Universität hochladen. Das elektronische Programm gibt einen Prüfbericht aus, auf dessen Grundlage der Betreuer oder die Betreuerin weiter untersucht, ob die Arbeit plagiatfrei ist und bewertet werden kann. Ähnlich behandelt die Universität Wien die eingereichten Diplom- und Masterarbeiten sowie Dissertationen. Dort schauen sich die Studienprogrammleitungen zusammen mit der betreuenden oder einer anderen fachkundigen Person die automatisch markierten Stellen genauer an. Wenn die Arbeit nur Mängel in der Zitierweise hat, bekommt der Verfasser oder die Verfasserin Gelegenheit, den Text zu korrigieren. Wenn das Ausmass unzitierter Textpassagen aber kein Verbessern mehr zulässt, es sich also tatsächlich um ein Plagiat handelt, dann wird die Arbeit nicht angenommen. Nach dem österreichischen Gesetz folgt keine weitere Sanktion - die ertappten Studierenden dürfen es mit einem anderen Thema noch einmal versuchen.
Die Universität Wien hat erklärt, dass sie in den letzten sechs Jahren sieben akademische Grade wegen Plagiats aberkannt habe, mit fallender Tendenz. Dazu sagt der Salzburger Plagiatsbekämpfer Stefan Weber, vier dieser Aberkennungen gingen auf seine Recherchen und Anzeigen zurück. Er zweifelt an der Effizienz der Software. In Internetforen zeigen Studierende Interesse, ihre Masterarbeit vor der Abgabe auf Plagiatsfreiheit testen zu lassen - das deutet darauf hin, dass manche inzwischen mehr Ehrgeiz darauf verwenden, geklautes oder nachlässig zitiertes Gedankengut durch die elektronische Prüfung zu schleusen, als mit eigenen Gedanken und korrekter Arbeit zu bestehen. Das Programm ist also offenbar ein Mittel zur Abwehr unlauterer Machenschaften, das die betreuenden Lehrpersonen mit ihrer Aufmerksamkeit ergänzen müssen.
An deutschen Hochschulen wurden zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis Ombudsleute und Kommissionen bestellt, die Verdachtsfällen nachgehen und Sanktionen bis hin zur Geldbusse in die Wege leiten, ohne dass es eine systematische Kontrolle gäbe. Ausnahmen sind beispielsweise das Institut für Europäische Kunstgeschichte und das Institut für Ethnologie der Universität Heidelberg, die jede Arbeit ihrer Studierenden mit einer entsprechenden Software auf Plagiate untersuchen. Der Dekan der Heidelberger Philosophischen Fakultät (zu der die Kunstgeschichte gehört), Manfred Berg, rechnet damit, dass das Thema Plagiatskontrolle im kommenden Semester auf der Tagesordnung stehen wird. Er ist aber nicht für eine generelle elektronische Überprüfung, will die Studierenden nicht unter Generalverdacht stellen und plädiert für Vertrauen in der Gemeinschaft der Lehrenden und Lernenden. Das Wichtigste dabei sei eine intensive Betreuung der Studienarbeiten. Auch Psychologieprofessor Joachim Funke, einer der Ombudsleute der Universität Heidelberg, sieht keinen Grund, an der bisherigen Praxis etwas zu ändern; es sei eine “Illusion, man könne das technisch lösen”. Die Fakultät für Betriebswirtschaftslehre der Universität im benachbarten Mannheim hat ebenfalls ein Antiplagiatsprogramm besorgt, den Lehrstühlen aber freigestellt, damit alle wissenschaftlichen Arbeiten zu untersuchen, Stichproben zu nehmen oder es nur bei Verdacht anzuwenden.
Dem Deutschen Hochschulverband (DHV) ist das nicht genug. Anlässlich des 61. DHV-Tags (11./12.4.2011 in Potsdam) hat er alle Wissenschaftler und die Prüfungsämter der Universitäten aufgefordert, die eigenständige wissenschaftliche Leistung von Seminar- und Abschlussarbeiten zu überprüfen. Studierende, Doktoranden und Habilitanden sollen dazu verpflichtet werden, ihre Arbeiten auch in digitaler Form abzugeben, sodass besser und schneller auf Übereinstimmungen mit fremden Texten kontrolliert werden kann. Die Prüfenden sollen von den vorhandenen Kontrollinstrumenten Gebrauch machen, verlangt der DHV.
Die elektronischen Programme können den Zeitaufwand verringern, der für die Qualitätssicherung von Studienarbeiten gefordert wäre, aber nach den Worten von Hochschulverbandspräsident Bernhard Kempen nur schwer zu erbringen ist: Wissenschaftler an Deutschlands Universitäten seien durch das modularisierte Bachelor- und Masterstudium sowie im internationalen Vergleich hohe Lehrdeputate selbst “zu Lehr- und Prüfungsautomaten degradiert”.
maximil
Themen: Allgemein · Kultur
24. Februar 2011
Protest wie gegen das Bauprojekt “Stuttgart 21″ zeigt, dass die zuständige Politik geändert werden muss. Ein politisches Vorhaben, gegen das viele unterschiedliche Menschen mit guten Gründen Widerstand leisten, ist nicht richtig. Demokratische Politik muss als Ziel haben, dass die meisten Menschen, möglichst alle, zufrieden sind. Das gelingt ihr in Deutschland und anderswo so wenig, dass sich Ärger und Resignation in der Bevölkerung ausbreiten. Weitreichende Planungen, Neuerungen, Entwicklungen, die nicht gegen die Bürgerinnen und Bürger, sondern mit ihnen gestaltet werden, könnten so zustande kommen:
- Kritik am Vorhandenen aufnehmen - sie weist auf nötiges Handeln hin.
- Anregungen für Neues suchen - dabei werden Möglichkeiten erkennbar.
- Vorschläge sammeln - viel Sachverstand und Ideen werden genutzt und ergeben Varianten und Wege für ein Projekt.
- Vorhaben vorstellen - das Thema, unterschiedliche Interessen und denkbare Lösungen werden bekannt gemacht.
- Diskussion fördern - mit Hintergrundinformationen und geeigneten Kommunikationsstrukturen können sich alle eine Meinung bilden.
- Ergebnisse zusammenfassen - Lösungen mit besonderem Rückhalt werden dargestellt.
- Volksabstimmung - sie bedeutet einen Grundsatzbeschluss für die am meisten akzeptierte Lösung.
- Planung transparent halten - die weitere Ausarbeitung muss immer öffentlich nachvollzogen werden können.
- Konflikte lösen - dazu werden auch mit unabhängiger Vermittlung Elemente aus anderen Lösungen integriert.
- Lösung optimieren - sie bezieht weitere Kritik, Anregungen und Vorschläge ein.
- Entwicklung flexibel gestalten - sinnvollerweise wird gerade bei längerfristigen Vorhaben rechtzeitig auf veränderte Bedingungen und Bedürfnisse reagiert.
Sollte ein Vorhaben keinen breiten Konsens gefunden haben oder neu strittig werden, müsste es sich einer weiteren Volksabstimmung stellen. Sie entschiede über Ausführung, Alternativen oder Abschied. Falls es dabei keine mehrheitliche Zustimmung für die Planung gibt, wird das Verfahren doch nicht vergeblich gewesen sein. Die Beteiligten haben Erfahrungen gesammelt, und meistens werden sich noch viele Lösungselemente ohne Konflikt verwirklichen lassen.
maximil
[Dazu:
Demokratie und was dran ist]
Themen: Allgemein · Politik
7. Februar 2011
Was bringt uns von der Erkenntnis, dass etwas nicht stimmt, zum Handeln? Kritik ist ein Anfang, Klagen genügt jedenfalls nicht. Nachdenken über Möglichkeiten führt weiter. Und dann braucht es die Freiheit, Ungewohntes zu wagen. Das Filmfestival “ueber Mut” will 2011 dazu anregen. In vielen deutschen Städten werden Dokumentarfilme gezeigt, die Anlass zu Diskussionen und Initiativen sind.
> Film-Tournee “ueber Mut”
maximil
Themen: Allgemein · Kultur · Natur · Politik
3. Februar 2011
Die Kritik am geltenden Wirtschaftswachstumsdenken ist im Deutschen Bundestag angekommen. Eine Enquetekommission aus Abgeordneten und Sachverständigen hat sich versammelt, um in den nächsten Monaten über “Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität” zu beraten. Die drei Begriffe hängen nämlich nicht so einfach zusammen, wie das immer wieder gesagt wird. Das Wirtschaftswachstum, das bisher mit dem Bruttoinlandsprodukt aller geldwerten Leistungen gemessen wird, berücksichtigt nicht, dass der Wohlstand ungleich verteilt ist und dabei die Lebensqualität auch leidet: Sie wird gestört durch Umweltschäden, technikbedingte Unfälle, Leistungsdruck, Ungerechtigkeit, Bildungsferne. Für ein “gutes Leben” braucht es einiges, was die Politik zu wenig beachtet. Die Kommission soll ganzheitliche Kriterien für Wohlstand und Fortschritt finden und Vorschläge für eine bessere Politik erarbeiten.
Über das Wachstum wird in Frankreich schon länger intensiv diskutiert. Von dort kommt der Ausdruck “Décroissance” für den umgekehrten Vorgang, also etwa eine “Abnahme”, “Reduzierung”, einen “Rückgang”. Diese Idee wird von Persönlichkeiten und Gruppen öffentlich vertreten, und das bedeutet etwas in einem Land, in dem die Menschen sich auf den Genuss verstehen. Es gibt politische Forderungen und zugleich Aufrufe zu radikalen Konsequenzen für den eigenen Lebensstil - “Mach dich vom Fernsehen frei”, “Mach dich vom Auto frei”, “Befreie dich vom Mobiltelefon” … und “Fördere deine persönliche Entwicklung”. In Deutschland wird darüber mit umständlicheren Begriffen wie “Postwachstumsgesellschaft” gesprochen.
Die Parlamentskommission gewährt den politisch Verantwortlichen erst einmal einen Aufschub. Vernünftige Entscheidungen, die längst auf der Hand liegen, können weiter unterlassen und unsinnige Beschlüsse gefasst werden. Aber das öffentliche Gespräch über diese lebenswichtige Angelegenheit ist bereits wertvoll. Es wird früher oder später etwas bewirken.
> Enquetekommission Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität (Wikipedia)
> Jenseits des Wachstums?! Ökologische Gerechtigkeit. Soziale Rechte. Gutes Leben - Dokumentation des Attac-Kongresses in Berlin 20.-22.5.2011
> Postwachstum in Bewegung (Attac)
maximil
[Bezieht sich auf: Fällige Kritik des Wachstumsdenkens]
Themen: Allgemein · Kultur · Natur · Politik